Ungarns Regierungschef Viktor Orbán fährt laut Medienberichten am morgigen Freitag nach Moskau, um dort Präsident Wladimir Putin zu treffen. Das berichteten der US-Sender Radio Free Europe und der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi am Donnerstag mit Berufung auf informierte Quellen. EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf X: „Die rotierende EU-Präsidentschaft hat kein Mandat, im Namen der EU gegenüber Russland zu verhandeln.“
„Der Europäische Rat ist sich darüber im Klaren: Russland ist der Aggressor, die Ukraine das Opfer. Diskussionen über die Ukraine können ohne die Ukraine nicht stattfinden“, so Michel weiter, der damit auf Distanz zu Orbán ging.
Mit den anderen EU-Regierungschefs abgesprochen sind Orbáns Reisepläne offenbar nicht. „Die Gerüchte über Ihren Besuch in Moskau können nicht wahr sein @PM_ViktorOrban, oder doch?“, fragte Polens Regierungschef Donald Tusk auf der Plattform X (ehemals Twitter). Ungarn hat erst vor wenigen Tagen den rotierenden EU-Ratsvorsitz für sechs Monate übernommen.
Der finnische Regierungschef Petteri Orpo schrieb auf X: „Beunruhigende Nachrichten über Orbans Besuch in Moskau. Es ist klar, dass er kein Mandat hat, im Namen der EU zu verhandeln oder zu diskutieren. Sein Besuch würde eine Missachtung der Pflichten der EU-Präsidentschaft darstellen und die Interessen der Europäischen Union untergraben.“
Noch keine offizielle Bestätigung
Offiziell wurde der Besuch Orbáns in Moskau bisher nicht bestätigt. Der ungarische Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky wollte den geplanten Besuch am Donnerstag vor europäischen Journalistinnen und Journalisten in Budapest nicht bestätigen. Er habe „keine Informationen über eine Reise des Premierministers“, erklärte er. Der Minister betonte, Ungarn habe ein „nationales Interesse an einer funktionsfähigen Ukraine“. Er hoffe, dass es „so bald als möglich“ eine Waffenruhe geben werde: „Die beste Lösung für die Beendigung des Krieges wären Gespräche zwischen den Parteien.“
Nach Informationen von Panyi wird Orbán von Außenminister Péter Szijjártó begleitet. Orbán hatte am Dienstag die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht und dort Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen. Es war seine erste Visite in der Ukraine seit dem Angriff Russlands im Februar 2022. Der ungarische Regierungschef gilt als Russland nahestehend. In Kiew plädierte er für eine rasche Waffenruhe.
„Ministerpräsident Orbán handelt ohne Mandat und nicht im Interesse der EU. Sollten sich diese Gerüchte bestätigen, verurteilen wir diesen nationalen Alleingang“, schrieb die liberale Fraktionschefin im Europaparlament, Valérie Hayer, auf X. „Die Europäische Union steht geschlossen hinter der Ukraine, nicht hinter Viktor Orbán mit seiner versteckten Agenda.“
Putin hatte zuletzt im April 2022 - also zwei Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine - einen EU-Regierungschef in Moskau empfangen. Damals war Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach Moskau gereist. Im Oktober 2023 führte Orbán mit Putin beim Seidenstraßen-Gipfel in Peking ein bilaterales Gespräch. Nehammer hatte bei seinem Treffen mit dem Kreml-Chef wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges „generell keine positiven Eindrücke“ gewonnen, wie der Kanzler anschließend sagte.