Große Erwartungen, große Befürchtungen: In der Nacht auf Freitag debattieren US-Präsident Joe Biden und sein Herausforderer und Vorgänger Donald Trump live in Atlanta im Studio von CNN. Publikum ist nicht zugelassen, auch keine Kandidaten anderer Parteien, allen voran Robert Kennedy Jr., der als Unabhängiger antritt. Kennedy war vor Gericht gezogen, um die Teilnahme zu erzwingen, aber unterlegen.

Mehrere Sender, aber auch Zeitungen übertragen das Streitgespräch zeitgleich. Eine zweite Debatte wird auf dem Sender ABC am 10. September stattfinden. Üblich sind drei Duelle, aber Trump hatte ursprünglich gar nicht antreten wollen. Anders als sonst, wird es auch zwei Pausen für Werbung geben.

Stirbt im November die US-Demokratie?

Wer ist für das höchste Amt geeignet?

Bei der Debatte wird es aus Sicht der Zuschauer vor allem um die Frage gehen, wie geeignet die beiden Kandidaten für das Präsidentenamt sind. So werfen die Republikaner Biden vor mit seinen 81 Jahren nicht mehr fit genug für eine zweite Amtszeit zu sein. Tatsächlich wirkt der Präsident häufig gebrechlich, bei seinen Reden verspricht er sich immer wieder. Allerdings ist auch der nur drei Jahre jüngere, aber deutlich kräftiger erscheinende Trump zuletzt mit entrückten Abschweifungen oder Verwechselungen von Personen oder Orten aufgefallen.

Beide Kandidaten sind zudem für ihr Temperament und ihre Ungeduld bekannt. Vor allem Trump muss nach Einschätzung von US-Politikexperten bei der Debatte aufpassen, nicht als prahlerischer Rüpel wahrgenommen zu werden. Denn das könnte vor allem die wichtigen Wähler in der politischen Mitte vergraulen. „Trump muss präsidial erscheinen“, sagt Debatten-Experte Aaron Kall von der University of Michigan

Geleitet wird die Debatte von Dana Bash und Jake Tapper gestellt, zwei altgediente CNN-Moderatoren. Bash ist die Enkelin von Holocaust-Überlebenden aus Ungarn und hat Trump einst damit konfrontiert, dass er Frauen als „fette Schweine“ bezeichnet hat. Tapper hatte 2016 einen Zusammenstoß mit dem damaligen Präsidenten, den er - vergebens - aufforderte, sich vom Ku Klux Klan zu distanzieren. Tapper ist auch Unterstützer des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, den er einmal besuchte, während Trump die Ukrainehilfe eindampfen will. Für Spannung ist also gesorgt.

CNN hat allerdings strenge Regeln aufgestellt: Jeder Kandidat hat nur zwei Minuten pro Frage, danach bekommt der Gegner eine Minute, um zu entgegnen. Zur Sicherheit werden die Mikrophone nach der Redezeit abgestellt; rote Lichter im Studio blinken auf, wenn die Zeit abläuft und die Journalisten werden unterbrechen.

Entscheidung fällt in den Swing States

Für die Kandidaten geht es vor allem darum, die Unentschlossenen zu überzeugen. Denn das Rennen ist knapp. Beide stehen Umfragen zufolge bei 46 Prozent der Stimmen (Kennedy hat acht Prozent). Aber mehr noch kommt es auf die „Swing States“ an, die knappen Staaten, in denen die Wechselwähler wohnen. In (fast) jedem US-Staat kann die Partei, die bei der Wahl die einfache Mehrheit errungen hat, alle Wahlmänner des Staates für sich beanspruchen, nur in Maine und Nevada wird repräsentativ gewählt. In vielen Staaten haben die Demokraten oder die Republikaner eine sichere Mehrheit, nicht aber in den Swing States. In sieben davon, darunter bevölkerungsreiche Staaten wie Pennsylvania, liegen die Republikaner um zwei bis vier Prozentpunkte vorne.

Noch beunruhigender für Biden ist, dass Latinos und Schwarze — auch schwarze Frauen — zu Trump wechseln. Gerade bei schwarzen Frauen hatten die Demokraten in der Vergangenheit Ergebnisse von über 90 Prozent. Dabei hatte Biden mit seiner (halb-schwarzen) Vizepräsidentin Kamala Harris schon bei der vergangenen Präsidentschaftswahl ein Identifizierungsangebot gemacht.

Trump seinerseits lässt keine Gelegenheit aus, gegenüber Afro-Amerikanern den starken Mann vorzukehren. So ließ er sich mit schwarzen Prominenten ablichten und erklärte, dass er vom Justizapparat verfolgt werde sei genauso ungerecht wie das, was vielen schwarzen Männern passiere. Und: Dass Biden so viele Illegale über die Grenze lassen, schade den Afro-Amerikanern, deren Jobs die stehlen würden.

Das Thema Immigration ist den Amerikanern wichtig. Trump hat, wie schon bei der Wahl 2016 angekündigt, er werde die Grenze dichtmachen. Unter Biden ist die Zahl der Flüchtlinge um viele Millionen angeschwollen, nicht nur aus Südamerika, sondern auch aus Afrika und dem Mittleren Osten - Menschen, die per Flugzeug nach Mexiko gekommen sind und sich nun vor der Grenze sammeln und in Gruppen nach Amerika kommen.

Wirtschaft als zweites wichtiges Thema

Mindestens ebenso wichtig ist aber die Wirtschaft. Die Biden-Regierung hat viel dafür getan, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Wirtschaft brummt. Und tatsächlich haben sowohl das Wirtschaftswachstum wie auch die Aktienmärkte angezogen. Das hilft Arbeitern und einfachen Angestellten aber wenig. Die nehmen vor allem wahr, dass die Preise, vor allem die Lebensmittelpreise explodiert sind, und noch mehr die Mieten oder die Preise für Immobilien, während die Löhne stagnieren.

Viele Wähler erinnern sich an die Trump-Zeiten, als sie noch mehr Geld in der Tasche hatten. Dazu gehören allerdings die Corona-Jahre, als das Benzin billig war, weil fast niemand zur Arbeit oder in den Urlaub fuhr, die Mieten in den Städten sanken und die Regierung Schecks verschickte. Biden hat nun Gebühren gekürzt und mit dem Kartellrecht gedroht. Aber das geschah spät, und es war zu wenig.