Zwischen der ersten Abstimmung der Staats- und Regierungschefs letzten Montag und dem entscheidenden EU-Gipfel morgen und übermorgen in Brüssel sind offensichtlich die Würfel über die wichtigsten Personalentscheidungen gefallen. Unter Berufung auf Bestätigungen aus Diplomatenkreisen berichten mehrere deutsche Medien darüber, dass die Einigung über die Topjobs nun erzielt wurde. Ohne Überraschungen: Wie schon berichtet, soll Ursula von der Leyen (EVP) an der Spitze der EU-Kommission bleiben, der frühere portugiesische Premierminister António Costa, ein Sozialdemokrat, folgt dem Liberalen Charles Michel als Ratspräsident nach und die Liberale Kaja Kallas, derzeit noch Ministerpräsidentin Estlands, wird als Hohe Außenbeauftragte Nachfolgerin von Josep Borrell. Nicht in diesem Dreiergespann, aber ebenfalls als fix gesetzt ist eine weitere Amtszeit von Roberta Metsola (EVP) als Präsidentin des EU-Parlaments.
Die Verhandlungen wurden zwischen den drei Fraktionen geführt, aber nicht unmittelbar von den Fraktionsführern. Für die EVP waren der frühere Ratspräsident Donald Tusk und der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis im Spiel, die Sozialdemokraten waren durch den deutschen Kanzler Olaf Scholz und den spanischen Premierminister Pedro Sánchez vertreten, für die Liberalen verhandelten der französische Präsident Emmanuel Macron und der niederländische Premier Mark Rutte, der wiederum im Herbst Nachfolger von Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär wird.
Verhandlungen über Halbzeitlösungen
Die EVP, die bei den EU-Wahlen als Sieger hervorgegangen ist und daran auch bei den Verhandlungen keinen Zweifel ließ, hatte in den letzten Tagen sehr hoch gepokert und unter anderem eine Teilung der Amtszeit des Ratspräsidenten vorgeschlagen; tatsächlich wird dieser nach zweieinhalb Jahren neu (oder wieder) bestellt, geteilte Zeiten gab es zuletzt auch an der Spitze des Parlaments. In der Folge wuchs aber der Widerstand und es wurden weitere Kandidaten für die Kommission, konkret die beiden Italiener Mario Draghi und Enrico Letta, wieder ins Spiel gebracht – beide waren zuletzt von von der Leyen mit Strategiepapieren beauftragt worden. Die Frage einer Teilung wurde nun wieder aus dem Spiel genommen, man will sich dann wieder damit beschäftigen, wenn es so weit ist. Laut einem Bericht der FAZ soll Costa dafür eingewilligt haben, politische Schwerpunkte der EVP stärker zu berücksichtigen.
Nun soll es „Beruhigungspillen“ für die italienische Premierministerin Georgia Meloni geben, die sich beim Gipfel vergangene Woche übergangen fühlte. Anzunehmen ist, dass Ursula von der Leyen einen wichtigen Kommissarposten offeriert. Das Enfant terrible im Kreis der Staats- und Regierungschefs, Viktor Orbán, reagierte auf seine Weise: Das Personalpaket widerspreche allem, was die EU ausmache, ließ er auf X wissen: In den Topjobs sollten alle Mitgliedsländer repräsentiert sein, nicht bloß „die Linken und Liberalen“. Doch Ungarn hat sich in eine extreme Außenseiterrolle manövriert; zu sehen etwa diese Woche, als bei den Ratstreffen in Luxemburg zuerst ein Teil der Ukraine-Finanzierung ohne Ungarn beschlossen wurde, gestern wurden auch noch die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau formell gestartet.
Das EU-Parlament stimmt im Juli ab
Tatsächlich gibt es aber noch eine ziemlich große Hürde, nämlich das EU-Parlament, das über die Kommissionspräsidentin im Juli abstimmen wird. Sozialdemokraten und vor allem die Liberalen (Renew) haben weit mehr Mandate verloren, als die EVP dazugewinnen konnte. Ohne die Stimmen der Grünen geht die Rechnung wohl nicht auf – oder jene von Melonis rechten „Europäischen Konservativen und Reformern“ (EKR).