Der russische Angriffskrieg löste im Sommer 2022 einen europaweiten Energie-Alarm aus. Im August erreichten die Großhandelspreise für Gas einen Höchststand von 339 Euro pro Megawattstunde, gegenüber nur 51 Euro im Jahr davor. Alle Länder begannen mit der Subventionierung der Gas- und Strompreise, allein 2022 waren es 390 Milliarden Euro. Die EU begann mit Gegenmaßnahmen, deren Wirksamkeit nun vom Europäischen Rechnungshof unter die Lupe genommen wurde. Fazit: Die Rahmenbedingungen müssen noch besser werden.
João Leão, im Rechnungshof für die Prüfung zuständig, räumt zwar ein, dass es zu keinem einschneidenden Gasmangel gekommen sei, warnt aber davor, dass es auch weiterhin keine Garantie für leistbare Preise gebe: „Die EU kann nie mehr die Hände in den Schoß legen.“ Vielmehr müsse die Union, die 80 Prozent des benötigten Erdgases einführt, noch eine Reihe von Hausaufgaben erledigen. So sei zwar die Abhängigkeit von russischem Gas, 2021 noch bei 45 Prozent des Gesamtmarktes, signifikant auf unter 15 Prozent zurückgegangen, gleichzeitig sei die Abhängigkeit von Flüssiggasimporten (LNG) gewachsen.
Die EU-Länder selbst kommen im Bericht auch nicht gut weg, sie hätten bis heute die an sich nötigen bilateralen Abkommen noch nicht geschlossen. Im Gegenteil: Die Prüfer äußern die Befürchtung, dass im Krisenfall einzelne Länder Gaslieferungen an ihre Nachbarn stoppen würden. Die Plattform „AggregateEU“, die einen alternativen Handelsplatz für den Gashandel bzw. gemeinsamen Einkauf bieten soll, konnte in den Augen der Luxemburger Prüfer ihren Nutzen nicht unter Beweis stellen, zumal die Preise nach dem ersten Schock ohnehin fielen. Weiterer Kritikpunkt: bei der Technik zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 (carbon capture use and storage, CCUS) seien zu wenige Fortschritte erzielt worden, was langfristig auch die Versorgungssicherheit gefährden könne.
Österreich mit 81 Prozent Russen-Gas
Österreich nimmt in der EU nach wie vor eine Sonderstellung ein. Im April 2024 kamen laut Rechnungshof immer noch 81 Prozent der Gasimporte aus Russland. Allerdings bestehe nun ein besserer Schutz vor Versorgungsengpässen als vor dem Angriff. Der Gesamtverbrauch sei gesunken, die Speicher mit 20 TWh strategischer Reserve gefüllt und es gibt bilaterale Abkommen.
Unmittelbar vor der groß angelegten Invasion Russlands in die Ukraine 2022 machte Gas etwa ein Viertel des Bruttoenergieverbrauchs in der EU aus, wobei dieser Anteil in Italien und den Niederlanden (mit jeweils 41 %), in Malta (40 %) und Ungarn (34 %) besonders hoch war. Im selben Jahr wurden mehr als 20 % des Stroms in der EU und fast 40 % der Wärme aus Gas erzeugt. Noch nicht berücksichtigt im aktuellen Rechnungshofbericht: Das heute beschlossene 14. Sanktionspaket, das den Umschlag russischer LNG-Produkte für Drittländer in europäischen Häfen untersagt.