Zum Auftakt formulierte der ukrainische Präsident Wolodymr Selenskyj eine Hoffnung: „Ich glaube, dass wir Zeugen davon sein werden, wie hier Geschichte gemacht wird“, sagte Selenskyj zu Beginn der zweitägigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine, welche die neutrale Schweiz ausrichtet. Selenskyj will bei dem Treffen eine möglichst breite Unterstützung für seinen 10-Punkte-Friedensplan mobilisieren: Danach soll Russland unter anderen alle besetzten ukrainischen Gebiete räumen und zur Rechenschaft für seinen Angriffskrieg gezogen werden.
Das Treffen in der Luxushotelanlage Bürgenstock Resort in der Nähe des Vierwaldstättersees ist laut deutscher Bundesregierung die „erste hochrangige Friedenskonferenz auf Ebene der Staats- und Regierungschefs“ für die Ukraine. Insgesamt 100 Länder und internationale Organisationen nehmen an dem Kongress teil – darunter der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer und 54 weitere Staats- und Regierungschefs. Allerdings: US-Präsident Joe Biden kam nicht persönlich, sondern entsendete seine Vizepräsidentin Kamala Harris. Rund 60 Regierungen schlugen die Einladung ganz aus. Besonders Chinas Fernbleiben, das enge Beziehungen zu Moskau unterhält, dürfte die Gastgeber schmerzen. Der Aggressor Russland erhielt keine Einladung.
Friedensvertrag wird nicht zustande kommen
Was ist von der Konferenz konkret zu erwarten? Die Schweizer Bundespräsidentin, Viola Amherd, gab sich realistisch. Einen „Friedensvertrag“ zwischen Russland und der Ukraine werde natürlich nicht zustande kommen. Amherd, die Helvetiens Verteidigungsministerium leitet, gab als Parole aus: Die Spitzenpolitiker sollten „einen Prozess für einen dauerhaften und gerechten Frieden“ anstoßen.
Konkret drehen sich die Gespräche um nukleare Sicherheit, dabei stehen die Atomkraftwerke der Ukraine im Mittelpunkt. Desweitere sollen Lebensmittelausfuhren der Ukraine über das Schwarze Meer erörtert werden. Und Amherd will auch die „menschliche Dimension“ einbeziehen: Der Austausch von Kriegsgefangenen sowie die Rückkehr von verschleppten ukrainischen Kindern und Zivilisten.
„Irgendwann muss Russland einbezogen werden“
Amherd räumte mit Blick auf die abwesenden Russen ein: eine friedliche Lösung des seit Februar 2022 tobenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine kann nur mit Moskau erreicht werden. Deshalb müsse in einen Friedensprozess „irgendwann auch Russland einbezogen werden“.
Russlands Präsident Wladimir Putin machte jedoch kurz vor Beginn der Konferenz klar, zu welchen Bedingungen er sich auf Gespräche einlassen würde: Die Ukraine müsse unter anderem alle Gebiete räumen, die Russland für sich beansprucht, damit ein Waffenstillstand beginnen könne. Zudem müsse Kiew seine Pläne für einen Beitritt zur westlichen Militärallianz Nato begraben.
Die Kreml-Forderungen kommen einer ukrainischen Kapitulation gleich. Präsident Selenskyj wies sie umgehend als „Hitler-mäßiges“ Ultimatum zurück.
Jan Dirk Herbermann aus der Schweiz