Das gleiche Problem, aber völlig unterschiedliche Reaktionen: Deutschland und Frankreich, die beiden maßgeblichen großen Länder im Kreis der EU-27, gehen mit Dellen und Schrammen aus dem EU-Wahlkampf hervor. In Frankreich feierte das rechtsnationale Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen einen fulminanten Wahlsieg mit fast einem Drittel der Stimmen, worauf Staatschef Emmanuel Macron noch in der Nacht Neuwahlen ausrief. In Deutschland gelang der CDU/CSU ein ähnlicher Erfolg, mit der AfD auf Platz zwei, was CSU-Chef Markus Söder umgehend ebenso für eine Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen nutzte. Doch von der Ampelkoalition kam postwendend die Absage: Die Koalition sei ein Projekt, das auf vier Jahre angelegt sei. „Am Ende der vier Jahre wird abgerechnet. Da hat der Wähler wieder das Wort, und so ist die Politik auch gestaltet“, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
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Die Schwäche der beiden Zugpferde verändert einmal mehr das Machtgefüge in der EU. EVP-Chef Manfred Weber rief gestern sowohl den Sozialdemokraten Scholz als auch den Liberalen Macron dazu auf, endlich die Wiederwahl Ursula von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin öffentlich zu unterstützen. „Wir bieten jetzt Sozialdemokraten und Liberalen die ausgestreckte Hand an und ich warte auf Rückmeldung“, sagte Weber und es klang wie eine Demonstration der Stärke. Die Konservativen sind die Sieger der EU-Wahl und lassen keinen Zweifel daran. Das schwächt auch die Position der anderen Fraktionen im EU-Parlament. Die Grünen etwa, bisher nicht auf der Seite von der Leyens zu finden, ließen nach ihrer Niederlage eine Tür zur Zusammenarbeit offen – und wurden ignoriert. Die S&D, die warnend ihre Unterstützung infrage gestellt hatte, sollte Ursula von der Leyen für die Wiederwahl Bündnisse mit Rechtspopulisten – konkret mit den Fratelli von Giorgia Meloni – eingehen, werden jetzt brüsk zurechtgewiesen: „Die Wahlverlierer haben uns keine Bedingungen zu diktieren“, wird CDU-Chef Friedrich Merz zitiert. Doch ohne die Sozialdemokraten (und die Liberalen) wird die Hürde im EU-Parlament zu hoch.
Ostländer rücken in die Mitte
Die deutsch-französische Schwäche geht einher mit einem Erstarken der Ostländer. Ungarn oder Polen gewinnen mit dem Mitte-Kurs an Bedeutung. Die Folgen werden schon bald zu sehen sein. Am kommenden Montag treffen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem Abendessen in Brüssel, um die Vergabe der Top-Jobs zu besprechen. Sie könnten den Sack noch im Juni, beim Sommergipfel in drei Wochen, zumachen – zwei Tage später wird in Frankreich gewählt. Das Parlament kann die Abstimmung über die Spitze der EU-Kommission schon bei der konstituierenden Sitzung im Juli durchziehen. Wenn es will – sonst bleibt es bei September.