Donald Tusks liberale „Bürgerkoalition“ (KO) hat die oppositionelle, rechtspopulistische Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) überraschend klar geschlagen. Die liberalkonservative Bürgerkoalition (PO) von Regierungschef Donald Tusk hat laut Prognosen die EU-Wahl in Polen gewonnen. Auf die proeuropäische Partei des früheren EU-Ratspräsidenten entfielen 38,2 Prozent, wie Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergaben. Sie kann voraussichtlich 21 Abgeordnete ins Parlament schicken. Die größte Oppositionspartei, die nationalkonservative PiS, lag mit 33,9 Prozent der Stimmen deutlich abgeschlagen auf Platz zwei.
"Genau zehn Jahre haben wir auf den ersten Platz auf dem Podium gewartet. Ich bin so glücklich", sagte ein sichtlich bewegter Tusk am Sonntagabend. Die oppositionelle PiS (Recht und Gerechtigkeit) wird demnach voraussichtlich mit 19 Abgeordneten vertreten sein. Drittstärkste Kraft wurde die rechtsradikale Konfederacja mit 11,9 Prozent, auf sie entfallen sechs Abgeordnete.
„Wir halten den Migrationspakt auf“ – mit derartigen Slogans hat Jarosław Kaczyńskis Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) versucht, bei der Europawahl vom Tod eines polnischen Grenzschutzsoldaten am Zaun mitten durch den Białowieża-Urwald zwischen Polen und Belarus zu profitieren. Der junge Soldat war Anfang der Woche durch einen angeblichen Migranten mit einer selbst gebastelten Lanze lebensgefährlich von belarussischem Gebiet aus verletzt worden. Nach tagelangem Kampf um sein Leben starb er am Donnerstag. Doch die Rechnung der im vergangenen Herbst abgewählten Nationalpopulisten ging offenbar nicht auf. Vom Tod des jungen Grenzschützers profitierte somit nicht PiS, sondern die rechtsextreme „Konfederacja“, die sich mit 11,9 Prozent (sechs Sitze) auf den dritten Platz vorschob. Tusk Juniorregierungspartner, der zentralistische „Dritte Weg“ (8,4 Prozent, vier Sitze) und die „Vereinigte Linke“ (6,6 Prozent, drei Sitze) endeten abgeschlagen auf den hinteren Rängen.
Die letzten Umfragen vor der Wahl deuteten auf einen knappen Vorsprung von PiS vor der KO hin. Umso schmerzhafter ist nun die Niederlage für den PiS-Parteichef, der zuvor acht Jahre lang die Geschickte Polens aus der Hinterbank lenkte. Mit seinem Juniorpartner in der Koalition und der ebenfalls EU-freundlichen „Vereinigten Linken“ kann Tusk voraussichtlich eine klare Mehrheit nach Brüssel delegieren.
Hoffen auf 2025
Kaczyński tröstete sich und seine Parteifreunde Sonntagabend mit der Hoffnung auf einen Wahlerfolg im kommenden Jahr, wenn Staatspräsident Andrzej Duda sein Amt nach zwei Perioden räumen muss. „In einem Jahr werden wir einen Wahlerfolg verkünden“, versprach der 74-jährige PiS-Vorsitzende seinen Anhängern.
Paul Flueckiger, Danzig