Schon vor 2000 Jahren haben Kinder Strichmännchen gemalt. Zudem hatten die Zeichnungen in der Antike durchaus brutale Ereignisse aus direkter Anschauung zum Gegenstand. Das geht aus Kinderzeichnungen hervor, die in der antiken Ausgrabungsstätte Pompeji in der Nähe von Neapel zum Vorschein gekommen sind. Am Dienstag wurde der Gebäudekomplex der „Insula dei Casti Amanti“ in der 79 n.Chr. vom Vesuv verschütteten Stadt für die Besichtigung zugänglich gemacht. Auf Wänden hatten die Forscher hier die Kinderzeichnungen entdeckt.
Zu sehen sind in Kämpfe verwickelte Gladiatoren, Jagdszenen mit Wildschweinen sowie Boxkämpfe. Archäologen, Historiker und auf Kinder spezialisierte Neuropsychiater gehen davon aus, dass die Kinder von Pompeji die Objekte zuvor direkt zu sehen bekamen, bei Zirkusspielen im antiken Amphitheater der Stadt, das rund 20 000 Zuschauer fasste. „Die Anwesenheit von Kindern während der Spektakel war üblich“, heißt es in einem Aufsatz der Forscher mit dem Titel „Szenen einer pompejanischen Kindheit“.
„Die Exposition gegenüber extremen Formen von Gewalt, selbst bei kleinen Kindern, scheint nicht nur ein Problem der Gegenwart zu sein, angesichts von Videospielen und sozialen Medien“, ist in einer Presseerklärung der Ausgrabungsstätte zu lesen. „Mit dem Unterschied, dass in der Antike das in der Arena vergossene Blut real war und nur wenige es als „Problem“ ansahen, mit allen möglichen Auswirkungen auf die psycho-mentale Entwicklung der pompejanischen Kinder.“ Die Zeichnungen sollen von Kindern im Alter zwischen fünf und sieben Jahren kurz vor dem Vulkanausbruch angefertigt worden sein.
Insgesamt kamen drei Serien mit Kinderzeichnungen zum Vorschein. In der zweiten Serie sind unter anderem drei Umrisszeichnungen einer Kinderhand zu sehen, sowie Gladiatorenszenen, Szenen eines Ballspiels sowie ein Boxkampf mit einem am Boden liegenden Kämpfer. Die einfachen Zeichnungen wurden mit Holzkohle angefertigt. Die dritte, in braunem Ocker gezeichnete Szene, zeigt zwei Boxer sowie unter anderem zwei Phallus-Symbole. Auch an der kindlichen Lust, Genitalien zu malen, hat sich offenbar seit 2000 Jahren wenig geändert.
„Zusammen mit den Psychologen der Universität Federico II. sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die Zeichnungen von Gladiatoren und Jägern höchstwahrscheinlich aufgrund einer direkten Vision und nicht nach bildlichen Vorlagen entstanden sind“, sagte Pompeji-Direktor Gabriel Zuchtriegel. Wahrscheinlich seien es eines oder mehrere Kinder gewesen, die die Zeichnungen anfertigten und zuvor Zeugen von Kämpfen im Amphitheater gewesen seien und so „mit einer extremen Form von spektakulärer Gewalt in Berührung kamen, zu der auch Hinrichtungen von Verbrechern und Sklaven gehört haben können“.