Nachdem es bei der US-Wahl Belege für Wahleinmischung gegeben hatte, ist auch bei der kommenden Europawahl vom 6. bis 9. Juni die Sorge davor groß. Im Vorfeld der Wahlen hat die EU den Kampf gegen Desinformation und ausländische Einmischung verstärkt.

Diese Bedrohung durch Desinformation endet nicht mit dem Schließen der Wahllokale am 9. Juni. Eine im April gegründete Desinformation-Kriseneinheit soll auch nach den Wahlen bestehen bleiben, um Angriffe auf die Legitimität der Wahlergebnisse abzuwehren, berichtet der „Guardian“. Die Einheit ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Bedrohungen zu melden und strategisch gegen die Urheber der Desinformation vorzugehen. Experten schätzen, dass Russland jährlich eine Milliarde Euro für Desinformation ausgibt. Philipp Müller von der Universität Mannheim meint, dass es dabei hauptsächlich darum geht, langfristige Zweifel an der Demokratie zu säen: „Man will eine Erosion der Demokratie. Beim permanenten Bereitstellen von Desinformation geht es weniger um die Auswirkung auf eine Wahl, sondern um das langfristige Ergebnis.“

Kaum verfügbare Daten

Die Frage, wie viele Leute jeden Tag Falschinformationen zu sehen bekommen, lässt sich laut Müller nicht so leicht erheben: „Studien zeigen aber, dass zu Wahlkampfzeiten mehr Falschinformationen auf Social Media verbreitet werden.“ „Eine der Gefahren der Desinformation ist, dass diese oft unterschiedlich rezipiert und interpretiert wird“, ergänzt Josephine Schmitt vom „Center for Advanced Internet Studies“. Es ist schwierig nachzuweisen, wie groß der Einfluss von Desinformation tatsächlich ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es kaum verfügbare Daten von großen Online-Plattformen wie „Meta“ gibt.

Die Kriseneinheit, die seit fünf Wochen aktiv ist, sammelt kontinuierlich Informationen über Desinformationsvorfälle. Jeden Tag sind soziale Medien mit falschen oder verzerrten Nachrichten geflutet, die oft darauf abzielen, die westlichen Werte zu untergraben oder die Ukraine negativ darzustellen.

Die EU-Behörden haben festgestellt, dass Desinformation weniger darauf abzielt, pro-russische oder pro-chinesische Kandidaten zu unterstützen, sondern vielmehr eine antiwestliche Narrative zu fördern. Jüngste Beispiele umfassen gefälschte Beiträge über französische Soldaten und irreführende Anweisungen zum Wählen in Deutschland und Spanien. Die EU-Dienste sind daher in Alarmbereitschaft und unterstützen ein Netzwerk von Faktenprüfern.

Junge Generation skeptischer

Laut dem „Guardian“ gehen Beamte davon aus, dass jüngere Wähler, die mit sozialen Medien aufgewachsen sind, besser auf diese neuen Narrativen reagieren können, auch wenn sie KI-generierte Inhalte beinhalten. Die politischen Führer hingegen reagieren langsamer. Andreas Jungherr von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg warnt davor, nicht in einen Alarmismus in Sachen Desinformation zu verfallen: „Die Warnung vor Desinformation kann auch einen negativen Effekt auf die Demokratiezufriedenheit haben. Die ständige Warnung vor der Desinformation kann sehr schädlich sein.“

Ein aktueller Skandal um die Webseite „Voice of Europe“, die wegen der Verbreitung pro-kremlischer Propaganda sanktioniert wurde, hat der EU als Weckruf gedient. Aktuell wird seitens der Forschung Desinformation ein geringer Einfluss auf einen Wahlausgang zugeschrieben – unterschätzen möchte man die Möglichkeit trotzdem nicht.