Bei dem Angriff hatte ein 25-Jähriger am Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt von Mannheim bei einer Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) sechs Männer verletzt, darunter einen 29 Jahre alten Polizisten. Dieser erlag am Sonntagnachmittag seinen Verletzungen. Der Angreifer mit afghanischer Staatsbürgerschaft hatte dem Beamten, der den Angriff unterbinden wollte, mehrmals in den Kopfbereich gestochen.
Scholz sagte am Montag, der Polizist habe für Frieden und Sicherheit sein Leben verloren. Er sei im Einsatz gewesen, weil er die Demokratie beschützt habe und das Recht von allen, die eigene Meinung zu sagen, egal, ob sie irgendwem sonst gefalle, so der deutsche Kanzler bei einem Besuch im vom Hochwasser betroffenen Reichertshofen in Oberbayern. „Wenn jetzt Extremisten die Freiheit, sich zu bewegen, seine Meinung zu äußern, beeinträchtigen, dann müssen sie wissen, dass sie uns als ihre härtesten Gegner haben.“
„Wir werden mit allem, was wir zur Verfügung haben, den Rechtsstaat und die Sicherheit verteidigen. Polizei, Justiz und unsere Nachrichtendienste haben diese Aufgabe, sie tun das. Aber auch wir als Bürger werden da zusammenstehen.“ Extremistische Täter von links wie von rechts „sollten sich fürchten müssen und damit rechnen, dass wir alle Mittel einsetzen, um ihnen zu begegnen“. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner zitierte Scholz in Berlin mit den Worten: „Ein Angriff auf einen Polizisten im Einsatz ist ein Angriff auf uns alle.“
Österreichs Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kondolierte den Angehörigen und Kollegen des getöteten Polizisten und verurteilte den Messerangriff auf der Plattform X: „Dieser Anschlag war eine direkte Attacke auf die Meinungsfreiheit, eines der schützenswertesten Güter unserer Demokratie. Angriffe auf eben diese Freiheit – egal ob von fundamentalen Islamisten oder Rechtsextremisten – sind uns Demokrat:innen nicht egal.“
Innenminister Karner zeigte sich am Montag in Wien „tief erschüttert und betroffen“. Er habe am Sonntagabend seiner deutschen Amtskollegin Nancy Faeser, der deutschen Polizei, aber auch der Familie des „ermordeten“ Polizisten seine persönliche Anteilnahme übermittelt. „Solche hinterhältigen, solche feigen Anschläge dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“, sagte Karner am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der finnischen Innenministerin Mari Rantanen in Wien. Daher sei es Aufgabe der Polizei, der Exekutive und des Verfassungsschutzes hier mit aller Vehemenz zu ermitteln, auszuforschen und so etwas zu verhindern.
Gefahr auch in Österreich
Karner verwies auf den jüngsten Verfassungsschutzbericht, der gezeigt habe, dass islamistischer Extremismus und auch die Gefährdung durch Einzeltäter jener Bereich sei, der eine besondere Bedrohung darstelle. Dies habe sich in Österreichs Nachbarland nun gezeigt. „Und wir werden alles tun – mit den Mitteln des Rechtsstaates, so etwas zu verhindern und mit aller Konsequenz und Härte auch dagegen vorzugehen.“
Zuvor hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) für den nach einem Messerangriff in Mannheim verstorbenen Polizisten Trauerflor und eine Schweigeminute veranlasst. Am kommenden Freitag – eine Woche nach der Tat – soll um 11.34 Uhr des 29-Jährigen gedacht werden, teilte das Innenministerium am Montag mit. Auch eine Trauerfeier ist geplant. Wann diese stattfinden soll, stehe bisher nicht fest, sagte ein Polizeisprecher. Man wolle zunächst der Familie Raum zum Trauern geben. Für den Abend ist in Mannheim eine Kundgebung geplant, an der auch Strobl teilnehmen will.
Motiv weiterhin unklar
Das Motiv für die Attacke ist weiter unklar. Bisher sei der Täter aus gesundheitlichen Gründen nicht vernehmungsfähig gewesen, hieß es von der Staatsanwaltschaft am Montag. Er war im Zuge der Attacke von einem Polizisten angeschossen worden. Neben Aussagen zum Tatmotiv vom Täter selbst erhoffen sich die Ermittler weitere Erkenntnisse durch die Auswertung des bei der Durchsuchung seiner Wohnung im hessischen Heppenheim aufgefundenen Materials.
Eine mögliche Haftstrafe müsste der afghanische Täter in Deutschland verbüßen. Ob und wann ein ausländischer Straftäter nach Verbüßung der Haftstrafe abgeschoben wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Situation in seinem Herkunftsland zum Zeitpunkt der Haftentlassung.
Forderung: Abschiebungen nach Afghanistan sollen wieder möglich sein
Nichtsdestotrotz wurden aus SPD und FDP Forderungen laut, Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich zu machen. „Wer ohne deutschen Pass in Deutschland schwere Straftaten begeht oder als Gefährder oder Verfassungsfeind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, muss schleunigst unser Land verlassen“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der „Süddeutschen Zeitung“ am Montag. Das müsse auch für Menschen aus Afghanistan gelten.
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sprach sich für ein solches Vorgehen aus. „Aus meiner Sicht müssen Abschiebungen auch nach Afghanistan möglich sein“, sagte Djir-Sarai in Berlin. Es sei nicht darstellbar, dass ein Straftäter in Deutschland nicht abgeschoben werden könne. Wiese forderte die deutsche Regierung auf, dafür die Weichen zu stellen. „Nach dem nachvollziehbaren temporären Abschiebestopp sollte das Auswärtige Amt endlich den Weg dafür frei machen, künftig Abschiebungen nach Afghanistan wieder durchführen zu können.“ Seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban im August 2021 sind Abschiebungen in das Land ausgesetzt.
Auf die Frage, ob die Messerattacke womöglich Auswirkungen auf die Sicherheitsvorkehrungen für die Fußball-Europameisterschaft haben werde, antwortete ein Sprecher des deutschen Innenministeriums am Montag in Berlin, die Sicherheit habe bei der EM natürlich höchste Priorität. Bund und Länder bereiten sich deshalb intensiv vor, um diese gewährleisten zu können. „Selbstverständlich ist es immer so, dass lageabhängig Maßnahmen geprüft werden“, fügte er hinzu.