Es dauerte nur Minuten, bis Donald Trump, schwarzer Anzug, blaue Krawatte, den Gerichtssaal in Manhattan verließ und in die Lobby hinunterstieg. „Dieses Verfahren war manipuliert, ich bin ein sehr unschuldiger Mann“, sagt er vor den TV-Kameras. „Unser Land befindet sich in einem ernsthaften Niedergang, Millionen kommen über die Grenze, Straftäter, Geisteskranke, Terroristen, sie übernehmen unser Land“. Und er – so erzählt es Trump, seit das Strafverfahren in Manhattan begonnen hat – werde verfolgt, weil er dem entgegentrete. „Aber ich kämpfe für unser Land, für unsere Verfassung.“ Er werde weiterkämpfen, bis er gewinne.
Derweil, in dem kleinen Park vor dem Gerichtsgebäude brüllen Trump-Fans und Trump-Gegner einander an – die New Yorker Polizei war bereits vor der Urteilsverkündung aufgezogen, um Krawalle zu verhindern. Die einen halten Plakate hoch, auf denen „guilty“ – schuldig – steht, die anderen tragen Transparente mit seinem Gesicht. Für die einen ist es eine Genugtuung, die anderen sind fassungslos.
Pressekonferenz am Nachmittag
Kurz darauf verlässt Trump das Gericht mitsamt seiner Entourage, darunter sein Sohn Erik, nicht allerdings seine Frau Melania und der gemeinsame Sohn Barron. Eine Autokolonne bringt ihn zum Trump Tower an der Fifth Avenue. Bevor er seine New Yorker Residenz betritt, dreht er sich um und grüßt die Fans mit geballter Faust. Dort hat er für später eine Pressekonferenz anberaumt. Es gilt als sicher, dass er an seiner Kandidatur festhält. Trumps Anwalt Todd Blanche sagte, jeder Geschworene habe Trump bereits vorher gekannt, das Verfahren sei nicht fair gewesen. Darauf werde sich die Berufung stützen. Unmittelbar nach dem Urteil fing Trump an, um Spenden zu werben; die Webseite brach unter dem Ansturm zusammen.
So ein Urteil hat es in der USA noch nicht gegeben: Der frühere Präsident wurde von einer Jury in New York in allen 34 Punkten schuldig gesprochen. Es ging um die Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels, um eine Affäre zu vertuschen. Trump habe gezahlt, um seine Wahl nicht zu gefährden, das sei eine nicht deklarierte Wahlkampfspende, außerdem seien für die Zahlung die Bücher frisiert worden, so die Anklage. Die Jury stützte sich auf Trumps früheren, vorbestraften Anwalt Michael Cohen sowie auf David Pecker, Herausgeber des Revolverblatts „National Enquirer“, die das Geld überbracht hatten. Nach dem siebenwöchigen Prozess hat die Jury zwei Tage lang beraten, das Strafmaß wird der Vorsitzende Richter Juan Merchan am 11. Juli verkünden. Zwischen einer Geldstrafe und bis zu vier Jahren Gefängnis ist alles möglich. Das Gericht ließ Trump ohne Kaution laufen.
Partei steht felsenfest hinter Trump
Trumps Niederlage kam nur Tage nach seinem triumphalen Auftritt in der Bronx, wo er sich als „echten New Yorker“ feiern ließ. Es wird allerdings das einzige Urteil bleiben; die anderen drei Fälle, wo es um Wahlfälschung und die Unterstützung des Aufstands vom 6. Jänner ging, wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Aber was bedeutet das Urteil für das Land, für die Wahl vom November?
Zunächst einmal: Die Republikaner müssen an Trump festhalten, da er die Mehrzahl der Delegierten seit den Vorwahlen hinter sich hat. Aber ohnehin steht die Mehrheit hinter Trump, sie sehen das Urteil als politisch motivierte Wahlkampfattacke und solidarisieren sich. Darunter sind auch frühere Gegner wie Ted Cruz, der Senator aus Texas, oder Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida. Mike Johnson, der Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, sprach von einem „Urteil der Schande“; US-Präsident Joe Biden nutze das Justizsystem als Waffe gegen politische Opponenten. Fraktionschef Steven Scalise sprach von einer „Bananenrepublik“ und der texanische Gouverneur Greg Abbott von einem „Kangaroo Court“, einem Scheingericht. Die Abgeordnete Elise Stefanik, der Chancen auf die Vizepräsidentschaft nachgesagt werden, nannte das Verfahren einen „Zombie-Case“, der korrupte Richter habe für Biden gespendet.
Richter wird zur Zielscheibe
Auch die Young Republicans in New York machten Merchan als Schuldigen aus. Der in Kolumbien geborene Richter sei ein Amerika-hassender Linksradikaler, der keine Ahnung von US-Recht habe. Derweil sagte Mary Trump, die Nichte des Ex-Präsidenten, auf CNN, Trump sei dabei, eine alternative Realität für sich und seine Anhänger zu schaffen. Die Lage sei nun eher noch gefährlicher als vor vier Jahren; Trump werde seine Anhänger dazu bekommen, Gewalt zu verüben.
Selbst wenn Trump zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde, schließt die Verfassung es nicht aus, dass er Präsident wird. Mehr noch: Joe Biden könnte sich im Fall einer Wahlniederlage gezwungen sehen, Trump zu begnadigen, damit er sein Amt antreten könne, spekulierte die „New York Times“. Biden, der mit schwachen Zustimmungswerten vor allem in den wichtigen Swing States kämpft, hielt sich zurück. Die Wahl werde an der Urne entschieden, nicht vor Gerichten, sagte er.
Und die Wähler? Nach Umfragen sagen 17 Prozent der Amerikaner, sie würden nun, nach dem Urteil, eher weniger für Trump stimmen, hingegen sind es 15 Prozent, die sagen: jetzt erst recht. Für den Rest macht es keinen Unterschied.