Wahlbetrüger am amerikanischen Volk und krimineller Verschwörer — oder ein unschuldig aus parteipolitischen Gründen Verfolgter? Im Prozess gegen den früheren Präsidenten und Immobilienmogul Donald Trump duellierten sich Strafverfolger und Verteidiger in ihren Schlussplädoyers am Dienstag. Es geht um 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, gezahlt, um in der Endphase des Wahlkampfs eine Affäre zu vertuschen, meint die Staatsanwaltschaft. Das sei eine illegale, da undeklarierte Wahlkampffinanzierung. Das Geld hat der einschlägig verurteilte frühere Trump-Anwalt Michael Cohen überbracht, heute Kronzeuge der Anklage. Im Kern geht es darum: Handelte Cohen auf eigene Faust oder auf Befehl von Trump.

Trumps Anwälte hatten die Jury um ein rasches Urteil gebeten. Die Juroren werden voraussichtlich heute, nach sieben Wochen Prozess, beraten; das Urteil muss einstimmig ausfallen. Das Strafmaß im Fall eines Schuldspruchs legt der Richter fest, Juan Mercham. Trump selbst hatte den ganzen Prozess hindurch geschwiegen und war auch nicht in den Zeugenstand getreten. Allerdings hatte er morgens und nachmittags seine Fans begrüßt, die sich vor dem Gerichtsgebäude in Downtown Manhattan jeden Tag versammeln, wo es einen Medienzirkus ohnegleichen gab.

„Teil einer Verschwörung“

Joshua Steinglass, der leitende Staatsanwalt, holte in seinem mehrere Stunden langen Plädoyer weit aus. Das Geld für an Daniels — die tatsächlich Stephanie Clifford heißt — sei Teil einer Verschwörung mit dem Ziel, Trump ins Weiße Haus zu hieven. Hätte die Wählerschaft erfahren, dass Trump seine schwangere Frau Melania mit einem Pornostar betrog, hätte er verlieren können. Zudem habe er angeordnet, die Bücher zu fälschen, damit die Zahlung bei einer Betriebsprüfung nicht auffiel.

Die eigentliche Affäre — die Trump bestreitet — fand bereits 2006 in einem Golfhotel in Nevada statt, aber Trump wurde erst klar, dass dies Probleme bereiten könne, als das Wall Street Journal kurz vor der Wahl darüber schrieb. Cohen bat Daniel Pecker, den Verleger des Trump-freundlichen Revolverblatts National Enquirer um Hilfe, der schon zwei plauderfreudige Frauen mit Geld versorgt hatte. Offiziell hat Pecker die Exklusivrechte an deren Geschichten erworben, aber nur, um deren Schweigen zu erkaufen. Auch Pecker war vor Gericht als Zeuge aufgetreten.

Nachweis ist schwierig

Steinglass gehört zum Team des New Yorker Generalstaatsanwalts Alwin Bragg; er war bereits an dem — erfolgreichen — Steuerbetrugsverfahren gegen die Trump Organisation beteiligt gewesen. Letztlich muss er nachweisen, dass Trump selbst hinter allem steckt. Das ist schwierig, weil Cohen wegen der Geldübergabe und der Vertuschung bereits verurteilt worden war und eine Gefängnisstrafe abgesessen hat. Als vorbestrafter Lügner ist Cohen nicht der ideale Kronzeuge.

Das war auch das Hauptargument von Trumps Anwalt Todd Blanche, der am Vormittag ein ähnlich langes Schlussplädoyer hielt: Der frühere Präsident sei von Lügnern übervorteilt worden, die versucht hätten, ihn zu erpressen. Trump habe nicht gewusst, dass Cohen Geld überbracht hatte. Cohen sei der „größte Lügner aller Zeiten“, nur auf sein Wort hin dürfe Trump nicht verurteilt werden. Trump selbst hatte am Morgen eine Liste von Anwälten und von Medienkommentaren verschickt, die ihn unterstützten, darunter das Wall Street Journal. Tenor: Die Beweise reichten nicht aus. Außerdem sei eine Verletzung von Wahlkampffinanzierungsgesetzen eine bundesstaatliche Angelegenheit und nicht eine des Staates New York.

Zahlung zu Wahlkampfzwecken?

Denn die Staatsanwaltschaft muss nicht nur beweisen, dass Trump von der Zahlung wusste — die selbst nicht strafbar ist — , sondern dass die Wahlkampfzwecken diente. Trump hat immer gesagt, er habe nur seine Familie schützen wollen. Warum dann, fragte Steinglass die Juroren, habe er erst zehn Jahre später gezahlt? Und: Daniels hatte die Schweigeverpflichtung elf Tage vor der Wahl unterschrieben. Einen Tag vorher habe Trump mehrfach mit Cohen telefoniert, und Cohen mit Pecker.

Wieweit eine eventuelle Verurteilung den Demokraten nützt, ist umstritten. Der Filmstar Robert de Niro, der unweit des Gerichtsgebäudes wohnt, hatte erklärt, Trump müsse unbedingt ins Gefängnis. Der nannte den Schauspieler einen „Dummkopf“.