Welche Folgen Korruption und Missmanagement haben, bekommen die Menschen in der größten Volkswirtschaft Afrikas nahezu täglich am eigenen Leib zu spüren. Regelmäßig muss der staatsnahe südafrikanische Energieversorgungsriese Eskom den Strom im Rahmen von geplanten Blackouts abschalten, weil die veralteten und schlecht gewarteten Kohlekraftwerke teilweise nur 50 Prozent der vorgesehenen Leistungskapazität liefern können. Wer dann keinen Generator hat, sitzt unweigerlich im Dunklen.

Der täglich zu beobachtende Niedergang des Landes hat mittlerweile auch die große Erzählung, die Südafrika seit dem Ende der Apartheid geleitet hat, an den Rand gedrängt. Zehn Jahre nach dem Tod von Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela bröckelt dessen Traum von der sämtliche Gräben überwindenden Regenbogennation an allen Ecken und Enden. Trotz eines enormen Reichtums an Rohstoffen und Bodenschätzen steigen Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität in Südafrika stetig. Die Kluft zwischen den Reichen und denen, die nichts haben, wird von Jahr zu Jahr größer, das Bildungs- und das Gesundheitssystem erodieren.

Entsprechend groß ist auch die Unzufriedenheit mit dem ANC (African National Congress), der seit 1994 durchgehend an der Macht ist. Bei der Parlamentswahl am Mittwoch könnte die Regierungspartei erstmals ihre absolute Mehrheit verlieren und künftig auf einen Koalitionspartner angewiesen sein. In Umfragen kommt die Partei von Präsident Cyril Ramaphosa auf 40 bis 45 Prozent der Stimmen, gefolgt von der bei 22 bis 25 Prozent liegenden Demokratischen Allianz (DA), die sich für die Wahl mit mehreren Kleinparteien verbündet hat.

Ältere halten ANC die Treue

Die Treue halten dem seit Jahren in interne Grabenkämpfe verstrickten ANC vor allem noch die Älteren, bei denen die Erinnerung an die entscheidende Rolle der Partei im Kampf gegen das Apartheidsystem noch lebendig ist. „Bevor der ANC uns gerettet hat, wurden wir in unserem eigenen Land wie Untermenschen behandelt, wir waren nichts“, sagt Gugulethu Sigcau, eine Pensionistin, die in der Innenstadt von Johannesburg lebt, zur Nachrichtenagentur AFP. „Ich werde für niemand anderen stimmen.“

Die Jüngeren sehen dagegen vor allem die Versäumnisse der Regierung und wie die Korruption das Land zerfrisst. Der 38-jährige April wird sich nach eigener Aussage wohl erst in der Wahlkabine entscheiden. Für den „arroganten“ ANC, der nur noch „seine eigenen Interessen“ im Blick habe, werde er aber auf jeden Fall nicht stimmen, sagt der Sporttrainer.

Radikales Programm spricht Junge an

Die Stimmen der Jungen könnten sich bei dieser Wahl als entscheidend erweisen, denn jeder fünfte Wähler ist zwischen 18 und 29 Jahre alt. Und mit den 2013 gegründeten „Kämpfern für wirtschaftliche Freiheit“ (EFF – Economic Freedom Fighters) gibt es für viele eine Alternative zum ANC. Die Partei des umstrittenen ehemaligen ANC-Jugendführers Julius Malema tritt für radikale Reformen, wie die Umverteilung von Land und die Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftssektoren, ein. Mit diesem Programm kommt Malema, der häufig mit einem roten Barett auftritt, vor allem bei jungen und armen Schwarzen gut an, die sich gegenüber den Weißen im Land nach wie vor benachteiligt fühlen.

Für Präsident Ramaphosa geht es bei der Wahl aber nicht nur um den möglichen Verlust der absoluten Mehrheit für seine Partei. Sollte der ANC noch deutlicher verlieren als in den Umfragen vorhergesagt, dürfte auch der Stuhl des 71-Jährigen kräftig wackeln. Einige parteiinterne Rivalen scharren bereits jetzt schon in den Startlöchern.