Wie schnell sich eine lange geplante Veranstaltung von der Tour d‘Horizon durch die internationale Außenpolitik zur brandaktuellen Fragestunde wandeln kann, hat am Dienstagabend der Wiener Salon der Kleinen Zeitung mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gezeigt. Am Montag beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Haftbefehl gegen den israelischen Premier Benjamin Netanjahu. Diesen bezeichnete Schallenberg als „befremdlich und nicht nachvollziehbar“. Seine Begründung: „Wir wissen alle, dass dies eine asymmetrische Auseinandersetzung ist: Auf der einen Seite steht mit Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten, auf der anderen eine Terrororganisation, die alle Juden vertreiben und den Staat Israel zerstören will.“
„Wir wissen nicht einmal, wie viele Geiseln noch leben“
Würden wir Netanjahu verhaften? Österreich werde stets das Völkerrecht einhalten, stellte Schallenberg klar, doch noch sei diese eine rein hypothetische Frage. Eine solche Maßnahme des Gerichts wäre für ihn – „bei allem Respekt vor unabhängigen Richtern“ jedoch „völlig inakzeptabel“. Man müsse aufpassen, dass Regierungschefs nicht zu leichtfertig angeklagt würden, da dies einem Bärendienst für das Völkerrecht gleichkomme.
Für Schallenberg ist der Schritt des IStGH aber auch deshalb ein falsches Signal, weil er zur Verhärtung des Konflikts führe, statt helfe, endlich die israelischen Geiseln freizubekommen und eine Waffenruhe zu erreichen. Der Hamas sei es gelungen, dass niemand mehr über deren Schicksal rede, „wir wissen nicht einmal, wie viele noch leben“.
Dass Österreich sein Verhältnis zu Israel neu ausrichten müsse, davon wollte der Außenminister nichts wissen. „Wir haben eine klare Linie: Israel ist aufgefordert, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten, wir verurteilen auch die illegalen Siedlungen“, aber man dürfe nie vergessen, dass die Gründung Israels den Zweck habe, allen Jüdinnen und Juden nach dem Holocaust Schutz zu bieten.