Die FPÖ wünscht sich den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als EU-Kommissionspräsidenten. "Ich glaube, dass er Europa guttäte", sagte der FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky im APA-Interview. "Er ist die Antithese zu dem ganzen EU-Establishment. Er ist ein Garant dafür, dass illegale Migration in dieser Intensität nicht möglich ist." Vilimsky drohte auch damit, dass Österreich unter einer FPÖ-geführten Bundesregierung die Zahlungen an Brüssel einstellen könnte.
"Selbstverständlich, ja", antwortete Vilimsky auf die Frage, ob ein FPÖ-Finanzminister die EU-Beitragszahlungen stoppen könnte. Zum Hinweis, dass die EU-Zahlungen in mehrjährigen Abständen vereinbart werden (der aktuelle Finanzrahmen läuft bis zum Jahr 2027), sagte der FPÖ-Delegationsleiter: "Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Wenn ich nicht sage, was ich will und nichts tue, werde ich gar nichts erreichen. Wenn ich die Zahlungen einstelle, wird sich dort etwas bewegen müssen." Die Forderung begründete er mit dem Nettozahlerstatus Österreichs, der militärischen Hilfe für die Ukraine sowie den von der amtierenden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "über SMS für 35 Milliarden Euro" bestellten Corona-Impfdosen für die EU-Bevölkerung.
FPÖ will keinen Öxit
Öxit-Gelüsten erteilte Vilimsky eine klare Absage. Die FPÖ wolle die europäische Zusammenarbeit. "Wir wollen nur die Leute austauschen, weil die falsche Inhalte bringen. Wir wollen die Europäische Union verschlanken, wir wollen Kompetenzen zurückholen in die Parlamente der Mitgliedsstaaten, dass wir wieder mehr direkte Demokratie haben."
Vilimsky bestritt auch, dass seine Partei eine Abschaffung der Direktwahl des Europaparlaments wünsche. "Ich wüsste nicht, dass ich mich dafür ausgesprochen habe", sagte er. Im Februar hatte er nach einem entsprechenden Vorstoß des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán gemeint, dieser sei "durchaus überlegenswert". "Das ist nicht weniger demokratisch als eine Direktwahl, weil die nationalen Parlamente ja ohnehin demokratisch gewählt sind", argumentierte Vilimsky damals. "Ich habe immer gesagt, lasst uns dieses Parlament halbieren", sagte er nun. Als "Referenzgröße" führte er das US-Repräsentantenhaus mit 435 Mitgliedern an.
Ebenso wenig wie 720 Europaabgeordnete brauche man, dass "27 Kommissare den Kontinent malträtieren", forderte Vilimsky auch eine getreue Auslegung des EU-Vertrags von Lissabon, der eine Maximalgröße im Ausmaß von zwei Drittel der Mitgliedsstaaten (18 Kommissare) vorsieht.
Kein Geld von russischen, ukrainischen oder kasachischen Oligarchen oder Regierungsvertretern
Gleichwohl reklamierte Vilimsky das Vorschlagsrecht für den österreichischen EU-Kommissar, wenn die FPÖ bei der Europawahl stärkste Kraft werden sollte. Diesbezüglich zog er einen Vergleich zur Besetzung des Nationalratspräsidenten. "Wir plädieren dafür, diese Tradition fortzuführen, dass die stärkste Partei das Vorschlagsrecht hat und die anderen das tunlichst akzeptieren", sagte er.
Mit einem klaren "Nein" beantwortete Vilimsky die Frage, ob er, die FPÖ oder nahestehende Vereine Geld von russischen, ukrainischen oder kasachischen Oligarchen oder Regierungsvertretern erhalten habe. Vilimsky war in der Zeit des pro-russischen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, dessen Regime nachweislich westliche Politiker wie auch Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) für Lobbyarbeit bezahlte, Vorsitzender der österreichisch-ukrainischen Freundschaftsgruppe gewesen. Damals hatte er sich für einen EU-Beitritt der Ukraine ausgesprochen.
"Das wäre aus damaliger Sicht eine interessante Option gewesen, die man durchdiskutieren müsste", sagte Vilimsky dazu. Heute sei eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine "völlig undenkbar" und "völliger Irrsinn", weil sich das Land im Krieg befinde und sich auch die geopolitische Situation völlig verändert habe. Auch Georgien und Moldau "will ich nicht in der EU haben", fügte er hinzu. Von den sechs Beitrittskandidaten am Westbalkan sehe er "maximal Serbien als möglichen Teil der Europäischen Union", antwortete er auf eine entsprechende Frage. Allerdings müsse das Land die Kopenhagener Beitrittskriterien erfüllen und auch eine Volksabstimmung abhalten, um sicherzustellen, dass die EU-Mitgliedschaft auch tatsächlich dem Wunsch der dortigen Bevölkerung entspreche.
Vilimsky will nicht an Neutralität rütteln
Empört wies Vilimsky den von seinen politischen Gegnern hartnäckig erhobenen Vorwurf einer russischen Schlagseite zurück und verwies auf seine engen und regen Kontakte in die USA. "Ich sehe mich in österreichischer Tradition inmitten der Kraftfelder", betonte er. Nicht rütteln will er an der Neutralität. So solle Österreich auch einem angegriffenen EU-Mitgliedsstaat nicht militärisch zur Hilfe kommen. "Wir sind neutral. Wir können nicht in einen Krieg eintreten", stellte er klar.
Scharfe Kritik übte Vilimsky an den Verteidigungsaktivitäten der türkis-grünen Bundesregierung wie dem "Anklopfbrief an die NATO" oder der Beteiligung an Sky Shield. "Ich sehe nicht das geringste Szenario, dass Österreich in einen Raketenhagel kommt, wie es bei Israel war." Die Neutralität sei nicht nur Teil der österreichischen Identität, sondern kann auch "ein aktives Verteidigungsinstrument sein für Österreich", glaubt der EU-Abgeordnete. "Ich halte es nicht für realistisch, dass ein Land, das sich der Neutralität verschrieben hat, Ziel einer Attacke wird". Neutrale Länder seien nämlich "die allerletzten (...), die irgendwo in Konflikte hineingezogen werden".
Der bereits für seine dritte Amtszeit kandidierende EU-Routinier zeigte sich offen, künftig innerhalb der rechtspopulistischen Fraktion "Identität und Demokratie" (ID) eine "Schlüsselrolle" einzunehmen. "Wenn der Ruf in meine Richtung käme, auch als Teil einer Führungscrew mitzuwirken, tue ich das gerne", sagte der bisherige FPÖ-Delegationsleiter. An einem Führungsposten im Europaparlament - etwa einem Vizepräsidentenposten - habe er hingegen kein Interesse, weil er nicht mit der Glocke in der Hand zur Einhaltung der Redezeit mahnen möchte.
"Putin ist eine Bremse, da haben Sie Recht", sagte er auf die Frage nach der Zusammenarbeit der EU-skeptischen Parteien, die in drei Lager - Fraktionslose, ID und die Fraktion "Europäische Konservative und Reformer" (EKR) - zersplittert sind. Man sei einander vor der "Kriegssituation" schon "sehr, sehr nahe" gewesen. "Das wird sich irgendwann lösen, das muss sich lösen", weil sich bei allen Parteien die Erkenntnis durchgesetzt habe, "dass Größe eine Macht ist" und "man nur bei einer entsprechenden Zahl an Mandaten Dinge auch verändern kann". Gleichwohl räumte Vilimsky ein, dass das Abstimmungsverhalten schon innerhalb der ID-Fraktion sehr unterschiedlich sei. Als "Klammer unseres Handelns" hätten die Parteien die Forderung nach der Rückübertragung von europäischen Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten. Ansonsten gelte das Prinzip "We agree to disagree", so Vilimsky.