In Israel steht das nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas im Oktober gebildete Kriegskabinett vor dem Zerfall. Der führende Oppositionspolitiker Benny Gantz hat seinen Austritt aus dem Kabinett angedroht, sollte sich dieses nicht bis zum 8. Juni auf einen Sechs-Punkte-Plan im Gaza-Konflikt einigen können. Dieser Plan soll die Nachkriegsordnung für das Palästinensergebiet festlegen und auch die Befreiung orthodoxer Juden vom israelischen Militärdienst beenden.

Sollte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die Erwartungen nicht erfüllen, werde seine Partei die Kriegsregierung verlassen, unterstrich der frühere Armeechef und Ex-Verteidigungsminister Gantz. Die Regierung ringt seit Wochen mit der Frage, wie Israel nach der Niederringung der Terrororganisation Hamas mit dem Gazastreifen umgehen soll.

„Kleine Minderheit hat Steuer des israelischen Schiffes ergriffen“

Gantz gilt als aussichtsreichster politischer Rivale Netanyahus, dessen Beliebtheitswerte im Keller sind. Erst am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Yoav Gallant Klarheit über die Pläne nach dem Krieg gefordert und von Netanyahu verlangt, eine dauerhafte militärische Besetzung des Gazastreifens auszuschließen. Sollte Netanyahu einem Rückzug aus dem Palästinensergebiet zustimmen, drohen seine rechtsextremen Koalitionspartner mit einem Bruch des Bündnisses. Sie wollen das Palästinensergebiet permanent besetzt halten und die dortige Bevölkerung vertreiben.

„Persönliche und politische Erwägungen haben begonnen, in das Allerheiligste der nationalen Sicherheit Israels einzudringen“, sagte Gantz. „Eine kleine Minderheit hat das Steuer des israelischen Schiffes ergriffen und steuert es auf das felsige Riff zu.“ Er spielte damit auch auf Korruptionsermittlungen gegen Netanyahu an, die wegen seines Amtes als Regierungschef ruhen.

Gantz äußerte sich einen Tag vor dem Besuch des Nationalen Sicherheitsberaters der USA, Jake Sullivan, in Israel. Die US-Regierung ist unter starkem innenpolitischen Druck auf Distanz zu ihrem langjährigen Verbündeten gegangen. So drohte US-Präsident Joe Biden mit einem Stopp der amerikanischen Militärhilfe, sollte das Land die umstrittene Offensive in der Grenzstadt Rafah, dem letzten Zufluchtsort von Hunderttausenden Zivilisten im Gazastreifen, durchziehen. Netanyahu hält an den Plänen zur Einnahme Rafahs fest, weil dort auch die Hamas-Führung vermutet wird.