Zwar ist Katalonien nicht unabhängig, doch ist das Parteienspektrum ein anderes als im Rest Spaniens. Egal ob links- oder rechtsextrem, sozialdemokratisch oder konservativ: die Frage um die nationale Selbstbestimmung, spaltet die Wähler- und die Parteienlandschaft. Das macht Regieren mitunter schwierig.
Fernab stabiler Minderheiten
Zuletzt wählten die Katalanen 2021. Zwar ging mit der PSC die Schwesterpartei der spanischen Sozialdemokraten PSOE von Pedro Sánchez daraus als knapper Sieger hervor, fand jedoch keinen Koalitionspartner. Anstatt dessen setzten die Republikanische Linke (Esquerra Republicana, ERC) und die liberal-konservative „Junts“ ihre Zusammenarbeit fort. Die Minderheitsregierung unter ERC-Chef Pere Aragonès benötigte jedoch stets Oppositionsstimmen.
Je nach Gesetzentwurf, musste sich die Regierung bei der katalanistisch-kommunistischen CUP, den Spanien-orientierten Sozialdemokraten oder der linken ECP ihren Segen holen. Die rechtskonservative PP und die rechtsradikale VOX verweigern die Zusammenarbeit mit vermeintlichen „Separatisten“.
Gescheitertes Haushaltsgesetz
Bei einem Etat-Streit 2022 verabschiedete sich der Koalitionspartner „Junts“. Seitdem lenkt Präsident Aragonès die Geschicke der „Generalitat“ genannten Regierungsinstitution allein. Im März scheiterte die Verabschiedung des neuen 41 Milliarden Euro schweren Landeshaushalts an nur einer Stimme. Aragonès rief Neuwahlen aus. Nun soll der kommende Sonntag klären, ob die Wähler dem Parlament in Barcelona neue Impulse geben.
Umfragen des Meinungsforschungsinstituts CEO sagen einen Sieg für die sozialdemokratische PSC von Salvador Illa voraus. Obwohl Aragonès der beliebteste Politiker ist. „Wir hatten voriges Jahr eine schlimme Dürre“, sagt Politikwissenschaftler Sergi Ferrer. „Wie Aragonès diese Krise angegangen ist, bewerten vor allem ERC-Wähler positiv“, so der Wissenschaftler der Universitat Autònoma Barcelona weiter. „Außerdem stößt er bei Wählern anderer Parteien nicht auf eine solche Ablehnung, wie beispielweise Carles Puigdemont.“ Der katalanische Ex-Präsident, steht auf Listenplatz eins von „Junts“. Ferrer zufolge, spreche der charismatische Kandidat damit zwar seine eigenen Getreuen an, doch bleibt der Hauptverantwortliche für die gescheiterte Eigenstaatlichkeit 2017 für viele ein rotes Tuch.
Problematisch für „Esquerra“ sieht Ferrer den verpatzten Wahlkampfauftakt. Dieser startete just an dem Tag, als Pedro Sánchez sich fünf Tage Bedenkzeit nahm, um wegen Korruptionsvorwürfen gegen seine Frau einen Rücktritt zu erwägen. Zudem kündigte der umstrittene Puigdemont seine Kandidatur an. Für Aragonès und Esquerra war wenig Platz in den Medien.
Lösungen dringend gesucht
Nachdem lange Jahre die Unabhängigkeit und ein Amnestiegesetz für verurteilte Unabhängigkeitsbefürworter im Fokus standen, holt Katalonien nun die Tagespolitik ein. Wichtiger als die Frage nach der Loslösung von Spanien, sind dem CEO zufolge öffentliche Dienstleistungen – allem voran der desaströse Schienennahverkehr –, Wirtschaft sowie der Klimawandel.
Acht Millionen Einwohner zählt die Region seit diesem Jahr. Und damit 1,3 Millionen Personen mehr als 2004. Hohe Mieten, kaum verfügbarer Wohnraum und allgemeine Teuerung sind für viele akute Bedrohungsszenarien. Mit Blick auf Madrid, scheint die katalanische Wählerschaft der Sozialdemokratie am ehesten zu trauen.
Sozialdemokratischer Block
Daraus erklärt sich, dass potenzielle PSC-Wähler am liebsten mit „Esquerra“ koalieren würden. „Ein solcher Pakt ergäbe auch mit Blick auf die Unterstützung von ERC gegenüber Pedro Sánchez Sinn“, schätzt Politikforscher Ferrer die Lage ein. Doch ob sich ein spanisch-katalanischer Mitte-links-Block umsetzen lassen kann, „müssen die Verhandlungen zeigen“.
Bis August bleiben dazu knappe zweieinhalb Monate. Zeitdruck genug, denn dann wollen alle in den Urlaub. Im August liegen nicht nur Gerichtsvollzieher am Strand und setzen Zwangsräumungen erst wieder auf September an – auch im Parlament ist dann Pause.