Was hätte Agostino di Brenzone zu dieser Geschichte gesagt? Mindestens einmal im Grab würde sich der Patrizier umdrehen, der im Jahr 1540 das Gesamtkunstwerk Punta di Vigilio schuf. „Die gesamte Welt besteht aus drei Teilen“, schrieb Brenzone. „Afrika, Asien und Europa. Der schönste Erdteil ist Europa und davon ist Italien der schönste Teil, und von Italien wiederum die Lombardei, und von dieser der Gardasee und an diesem San Vigilio. Ergo ist San Vigilio der schönste Ort der Welt.“
Das Paradies auf Erden, als solches bezeichnen manche die Landzunge San Vigilio am Gardasee, ist zwischen den Gemeinden Torri del Benaco und Garda gelegen. Nun gibt es aber Menschen, die sich selbst die paradiesischsten Zustände auf Erden zur Hölle machen. Wer nun genau die Schuld hat, dass der Frieden auf der exklusiven Landzunge verflog, ist schwer zu sagen. Jedenfalls handelt es sich um illustre Figuren, die hier seit Jahren in einem gewaltigen Nachbarschaftsstreit liegen, der jüngst noch einmal eskaliert ist. Ein Graf, ein echter Graf und ein König, ein „Tortellini-König“, fast wie in einem modernen Märchen. Ob es gut ausgehen wird? Weiß derzeit keiner.
Man muss noch einmal auf diesen idyllischen Ort zurückkommen, die Punta San Vigilio, die „Perle des Gardasees“. Kein Blick auf den See ist schöner als von hier. Die Kirche San Vigilio aus dem 13. Jahrhundert gab dem Ort seinen Namen. Oberhalb thront eine Renaissance-Villa mit spektakulärem Garten, unten am Wasser liegt die Locanda, früher das Gästehaus der Villa und heute ein Hotel. Die Gäste genießen exklusive Strände. Napoleon, Winston Churchill und Prinz Charles waren schon zu Gast. Hier unten ist der Tortellini-König Giovanni Rana Eigentümer, die Villa oben gehört dem Grafen Guariente Guarienti. Es herrscht Krieg zwischen den beiden. Rana, 86, hat mit dem Verkauf von frischer Pasta ein Weltimperium geschaffen. Seit 1994 war der Tortellini-König Mieter der großen Villa, nach Auslauf des Mietvertrages 2018 setzten ihn die Erben des verstorbenen Grafen vor die Tür. Guglielmo Guarienti vererbte die Immobilien an seine drei Kinder Guariente, Agostino und Emanuela. Emanuela verkaufte ihren Anteil an Rana, der sich auch die Locanda am Seeufer sicherte. Guariente, der Älteste, behielt die Villa und sah den Umtrieben des Tortellini-Königs mit wachsender Skepsis zu. Ranas jüngste Umbaupläne ließen die Lage eskalieren.
Insgesamt rund 20 Klagen und Gegenklagen wurden vor den Verwaltungsgerichten der Gegend eingereicht, von beiden Seiten. Hauptvorwurf des Grafen Guarienti gegen Rana ist, die Umbauten zweier Nebengebäude verunstalteten das Paradies. Der Tortellini-König lässt derzeit sechs Hotelsuiten und ein Gourmetrestaurant errichten. Im Februar ging Guariente mit einem Video an die Öffentlichkeit, in welchem er rief: „Ich bin bereit, alles zu tun, um diese Verwüstung zu stoppen.“ Bürger und Umweltverbände schlugen sich auf die Seite des Grafen. Sogar Verantwortliche der Gemeinde Garda, die den Umbau genehmigte, wurden wüst beschimpft.
Auf Videoaufnahmen ist eine Großbaustelle zu erkennen. „Bei den laufenden Baustellen handelt es sich um Sanierungsarbeiten für die Installation unterirdischer Dienstleistungen“, rechtfertigte sich Gardas Bürgermeister Davide Bendinelli. Mit großem Aufwand wird unterirdisch eine neue Heizanlage für die Locanda installiert, auch ein 28 Meter langer Landungssteg ist geplant. Mauern und jahrhundertealte Olivenbäume wurden versetzt. Rana möchte das Paradies für seine Zwecke nutzen und wohlhabende Touristen hierher bringen, zum Unmut des Grafen und der Anwohner. Das Verwaltungsgericht Venedig gab Rana recht. Vom Frieden ist das einstige irdische Paradies aber weit entfernt.