Israel hat bei den erneuten Verhandlungen zum Gaza-Krieg laut Medienberichten weitgehende Zugeständnisse an die militante Palästinenser-Organisation Hamas gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause von bis zu einem Jahr angeboten. Das „Wall Street Journal“ berichtete am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf ägyptische Beamte, der Vorschlag für ein Abkommen - an dessen Ausarbeitung Israel beteiligt gewesen sei, dem es aber noch zustimmen müsse - sehe zwei Stufen vor.
Mittwochabend soll Entscheidung fallen
Die erste Stufe würde demnach die Freilassung von mindestens 20 Geiseln innerhalb einer Feuerpause von drei Wochen im Austausch gegen eine nicht näher bezeichnete Anzahl palästinensischer Häftlinge beinhalten. Die Dauer der Feuerpause könne für jede weitere Geisel um einen Tag verlängert werden, hieß es. Eine zweite Stufe würde eine zehnwöchige Waffenruhe umfassen, in der sich die Hamas und Israel auf eine umfangreichere Freilassung von Geiseln und eine längere Kampfpause einigen könnten, die bis zu einem Jahr dauern könnte.
Die israelische Regierung erwarte für Mittwochabend eine Antwort der Hamas auf das jüngste Angebot, zitierte die Zeitung „Times of Israel“ einen israelischen Beamten. Israel sei bereit, in den kommenden Tagen eine Delegation zu den indirekten Verhandlungen nach Kairo zu entsenden, zitierte das „Wall Street Journal“ israelische und ägyptische Beamte. Der jüngste Vorschlag werde in Jerusalem als „letzte Chance“ gesehen.
Denkbar wäre, dass Israel im Falle einer Einigung zunächst von der angekündigten Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas absieht, wo Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht haben. „Zeit ist von entscheidender Bedeutung, ich kann hier aber keine Frist setzen“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag.
Ägypten und Katar drängen Hamas
„Israel hat sich mehr als nur flexibel gezeigt, um eine Einigung zu erzielen“, zitierte die Zeitung „Times of Israel“ einen israelischen Beamten. Man habe die Zahl der in einem ersten Schritt von der Hamas freizulassenden Geiseln gesenkt. Außerdem sei die israelische Seite offen für die Möglichkeit, dass die vor den Kämpfen in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens geflüchteten Palästinenser ohne israelische Sicherheitskontrollen in den Norden zurückkehren, hieß es. Eine der Möglichkeiten, die derzeit geprüft werde, sei, dass Ägypten die Sicherheitskontrollen übernehme.
Die Hamas sollte den Vorschlag annehmen, sagte Kirby. Auch Ägypten und Katar drängen die Islamistenorganisation Medienberichten zufolge dazu, die Bedingungen für eine Feuerpause nun zu akzeptieren. Die Hamas bestand bisher jedoch auf ein Ende des Krieges, was Israel ablehnt. Die beiden Seiten verhandeln nicht direkt, sondern über die Vermittler Ägypten, Katar und USA. „Die Hoffnungen steigen und schwinden, und (...) wir werden einfach weiter am Ball bleiben und sehen, ob wir es schaffen können“, sagte Kirby über die laufenden Verhandlungen.
Unterdessen traf US-Außenminister Antony Blinken zu Gesprächen in Israel ein. Zum Auftakt seiner Gespräche auf neuer Nahost-Mission traf er am Mittwoch in der Früh mit Staatspräsident Yitzhak Herzog zusammengetroffen. Herzog sagte nach Angaben seines Büros bei der Zusammenkunft in Tel Aviv, die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas habe gegenwärtig höchste Priorität. Blinken sagte demnach: „Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erzielen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt. Und der einzige Grund, warum dies nicht erzielt werden könnte, ist wegen der Hamas.“
„Keine Verzögerungen, keine Ausreden“
Blinken sagte, es liege ein Vorschlag auf dem Tisch. „Und wie wir gesagt haben, keine Verzögerungen, keine Ausreden.“ Gleichzeitig müsse man sich auch auf die Menschen in Gaza konzentrieren, „die im Kreuzfeuer leiden, das die Hamas verursacht hat“. Der Fokus sei dabei mehr humanitäre Hilfe. Über diese Themen wolle er mit Herzog sprechen. Anschließend war ein Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in Jerusalem geplant. Blinken hatte von einem „sehr, sehr großzügigen“ Vorschlag Israels für einen Deal mit der Hamas gesprochen.
Der französische Außenminister Stéphane Séjourné wollte Diplomatenkreisen zufolge im Rahmen seiner Nahost-Reise einen außerplanmäßigen Stopp in Kairo einlegen. „Der Überraschungsbesuch des Ministers erfolgt im Kontext der Bemühungen Ägyptens, Geiseln zu befreien und eine Waffenruhe in Gaza zu erreichen“, sagte ein Insider. Séjourné machte in den vergangenen Tagen Station im Libanon sowie in Saudi-Arabien und Israel. Am Dienstag traf er in Jerusalem Netanyahu. In einem Interview sagte er mit Blick auf eine Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien, dass es etwas Bewegung gebe. Frankreich engagiert sich auch deshalb besonders, weil unter den verbliebenen Geiseln der Hamas noch drei französische Staatsangehörige sind.