Israel wird der US-Regierung zufolge noch in dieser Woche einen neuen Grenzübergang in den nördlichen Teil des Gazastreifens eröffnen. Dies habe US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu gefordert, teilte das Weiße Haus mit. Derzeit würden 200 Lastwagen pro Tag die Grenze zum Küstenstreifen überqueren, hieß es weiter. Die UNO schätzt, dass jeden Tag 500 Lkw mit Hilfsgütern nötig wären. Im Norden von Gaza würden katastrophale Zustände herrschen, die Versorgung mit Lebensmitteln gestalte sich schwierig.
US-Außenminister Antony Blinken will bei seinem anstehenden Treffen mit Netanyahu Maßnahmen besprechen, die für mehr Hilfslieferungen nach Gaza notwendig seien. „Ich kann nun morgen nach Israel reisen und mit der israelischen Regierung die Dinge besprechen, die noch getan werden müssen“, sagte Blinken in Jordanien während eines Besuchs bei einer Organisation, die Hilfslieferungen aus den USA entgegennimmt. Die gegenwärtige Nahost-Reise ist die siebente des US-Außenministers in die Region seit Kriegsbeginn.
Ein „wirklich guter Vorschlag“ liege am Tisch
Weiters rief Washington hinsichtlich der Hoffnungen auf eine schnelle Einigung Israels mit der islamistischen Hamas auf eine Feuerpause zu Pragmatismus auf. „Ich würde nicht sagen, dass wir übermäßig zuversichtlich sind (...) Ich würde sagen, dass wir in dieser Sache sehr pragmatisch sind“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag. Es liege ein „wirklich guter Vorschlag“ auf dem Tisch und die Hamas sollte ihn annehmen.
Auf die Frage nach einer Frist sagte Kirby: „Zeit ist von entscheidender Bedeutung, ich kann hier aber keine Frist setzen.“ Man dürfe sich der Sache nie zu sicher ein. „Die Hoffnungen steigen und schwinden, und (...) wir werden einfach weiter am Ball bleiben und sehen, ob wir es schaffen können.“
USA will keine größere Bodenoperation in Rafah
Kirby betonte, dass die Israelis „in guter Absicht“ verhandelt hätten und eine sechswöchige Feuerpause auf dem Tisch liege. „Es kann also keinen Zweifel daran geben, dass es ihnen ernst ist mit dem Versuch, dieses Abkommen zustande zu bringen.“ Auf Fragen nach einem möglichen Plan B, sollte der Geisel-Deal nicht zustande kommen, ging Kirby nicht. Es müsse einfach klappen, sagte er.
Auf Fragen zu der Ankündigung Netanyahus, dass die geplante Offensive in Rafah mit oder ohne Geisel-Deal mit der Hamas stattfinden solle, reagierte Kirby schmallippig. Die Position der USA zu einer israelischen Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens habe sich nicht geändert. „Wir wollen keine größere Bodenoperation in Rafah“, betonte Kirby. Die Israelis würden die Position der USA kennen.
Angriff auf Rafah wäre „unerträgliche Eskalation“
Unterdessen forderte UNO-Generalsekretär António Guterres Israel und die Hamas zu einer Einigung auf eine Feuerpause auf. „Im Interesse der Menschen in Gaza, im Interesse der Geiseln und ihrer Familien in Israel und im Interesse der Region und der ganzen Welt ermutige ich die Regierung Israels und die Hamas-Führung nachdrücklich, jetzt eine Einigung zu erzielen“, erklärte Guterres am Dienstag in New York.
Ohne diese könne sich der Krieg „mit all seinen Folgen vor allem im Gazastreifen und in der gesamten Region exponentiell verschlimmern“. Ein Angriff Israels auf die Stadt Rafah, in der mehr als eine Million Zivilisten Schutz gesucht haben, wäre „eine unerträgliche Eskalation“, sagte der UNO-Chef.
In Kairo laufen gegenwärtig indirekte Verhandlungen über einen neuen Deal für eine Feuerpause im Gazakrieg und die Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge. Es wurde damit gerechnet, dass Israel im Fall einer Einigung zunächst von einem Militäreinsatz in Rafah absehen würde.