Der bevorstehende Militäreinsatz Israels gegen die islamistische Hamas in Rafah im Süden des Gazastreifens dürfte mit einer mehrwöchigen Evakuierung der Zivilbevölkerung beginnen. Es werde erwartet, dass es zwischen vier und fünf Wochen dauern könnte, die Bevölkerung an sicherere Orte zu verlegen, berichtete der israelische Rundfunk am Donnerstag. Dies sei die erste Phase des Bodeneinsatzes in der Stadt an der Grenze zu Ägypten.
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat sich unterdessen erneut gegen eine Vertreibung von Palästinensern in sein Land gestellt. Ägypten lehne eine „Zwangsvertreibung“ von Palästinensern in den Sinai entschieden ab, sagte Al-Sisi am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Diese Position habe Ägypten „von der ersten Minute“ des Kriegs im benachbarten Gaza klargemacht. Eine Militäroffensive in Rafah würde „katastrophale Folgen“ für die Region haben, teilte das Präsidialamt mit.
Die Regierung in Kairo sorgt sich seit Kriegsbeginn vor einem halben Jahr zunehmend, dass Palästinenser in großen Zahlen über die Grenze kommen könnten. Der Grenzübergang Rafah, und wer ihn passieren darf, wird streng kontrolliert. In der Stadt Rafah haben schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen Zuflucht vor Kämpfen zwischen Israels Armee und der islamistischen Hamas gesucht.
Geiseln in Rafah vermutet
Israels Verbündete warnen seit Monaten vor einem Einsatz in Rafah, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält den Einsatz jedoch für unumgänglich, um eine Zerstörung der Kampffähigkeiten der Hamas sicherzustellen. Anderenfalls könne die Terrororganisation nach Kriegsende wiedererstarken. Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Es werden auch Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet, die am 7. Oktober bei dem Großangriff der Hamas auf Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Nach Informationen des „Wall Street Journal“ plant Israels Armee schrittweise vorzugehen, um die Zahl ziviler Opfer zu begrenzen. Das Blatt schrieb von zwei bis drei Wochen Evakuierung und sechs Wochen Offensive. Israel will die Zivilisten offenbar in Zeltlager bringen, wie etwa in dem Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer. Es gilt allerdings als zweifelhaft, dass dort so viele Menschen untergebracht werden können. Hilfsorganisationen sprechen von einer katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, ein großer Teil der Wohnorte in dem Küstenstreifen ist zerstört.
Nach Angaben des israelischen Rundfunks sollten am Donnerstag die Minister im Sicherheitskabinett über die Vorbereitungen auf den Einsatz in Rafah informiert werden sowie über den Stand der indirekten Verhandlungen mit der Hamas über eine Feuerpause im Gaza-Krieg. Diese soll die Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge ermöglichen. Auch das israelische Kriegskabinett wollte sich am Donnerstag versammeln.
Die Hamas habe ihre Kämpfer in Rafah auf den Einsatz vorbereitet und sie mit Proviant und Waffen versorgt, berichtete der Sender zudem. Auch die Zahl der Wächter für die Geiseln sei verstärkt worden.