Der Himmel leuchtete im satten Gelborange. Im Cafe „Indiana“ im gutbürgerlichen Athener Vorort Halandri zückten gestern Nachmittag fast alle der meist jüngeren Gäste ihr Smartphone, um das Naturspektakel festzuhalten. Der Dunst bedeckte den Großraum Athen mit seinen vier Millionen Einwohnern sowie andere griechische Regionen und Städte wie Kreta ganz im Süden oder Korinth und Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes. Gewaltige Mengen an Saharastaub hatten Hellas erreicht, an und für sich kein seltenes Phänomen.
Aber diesmal sei es „eines der schlimmsten Episoden dieser Art seit 2018“ gewesen, konstatierten die griechischen Behörden. Die massive Staubkonzentration könne nicht nur Sonnenlicht und Sicht beeinträchtigen, warnten sie. Die stark erhöhte Feinstaubbelastung stelle vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen ein Gesundheitsrisiko dar. Stichwort: Atemwegsrisiken.
Gefüllte Notaufnahmen
Vulnerable Personengruppen wurden dazu aufgerufen, ihre Wohnung möglichst nicht zu verlassen. Die Notaufnahmen der Spitäler wurden deutlich häufiger als üblich aufgesucht. Die Symptome der Patienten: Kurzatmigkeit, Husten und Brustschmerzen.
Der griechische Pneumologen-Verband hatte bereits zuvor gewarnt, wonach der Wüstenstaub mit gefährlichen Bakterien, Pilzen oder Pollen belastet sein könnte. Das sei durchaus „eine hochgiftige Mischung.“ Personen mit bestehenden Atemwegserkrankungen oder Allergien seien dazu aufgerufen, Sonnenbrillen und Masken zu tragen. Wer in Athen unterwegs war, dem bot sich dann auch ein Bild wie während der Coronapandemie: Dem Aufruf leisteten viele Griechen, vor allem ältere Menschen, aber auch die bereits zahlreichen Urlauber aus aller Welt Folge.
„Eine der schwerwiegendsten Episoden“
„Es ist eine der schwerwiegendsten Episoden von Staub- und Sandkonzentrationen aus der Sahara seit dem 21. und 22. März 2018, als die Wolken vor allem die Insel Kreta heimsuchten“, sagte Kostas Lagouvardos, Leiter der Wetterforschung am Athener Observatorium. Fest steht: Griechenland war bereits Ende März sowie Anfang April dieses Jahres von Saharastaubwolken heimgesucht worden. Sie hatten auch Teile der Schweiz, Südfrankreich und Österreichs bedeckt. Die Region Attika rund um Athen sei wegen der lokalen klimatischen Bedingungen regelmäßig vor allem im Frühjahr und Herbst von dem Phänomen betroffen, hoben Athener Meteorologen diesbezüglich hervor.
Dabei treffen warme Südwinde mit dem Staub aus Afrika auf kühlere Strömungen aus dem Norden. Dadurch steigt die staubtragende, warme Luft in Höhen von bis zu zwei Kilometer auf und verbleibt dort. Weil die Staubpartikel die Sonnenstrahlen reflektierten, leuchte der Himmel dunstig-rot, erklären Experten. Die Sahara setzt pro Jahr 60 bis 200 Millionen Tonnen Mineralstaub frei. Während die größten Partikel schnell zur Erde zurückkehren, können die kleinsten Tausende von Kilometern zurücklegen und dabei auch Europa erreichen.
Der Dreck muss weg
Am Mittwoch konnte jedenfalls in puncto Saharastaub wieder Entwarnung gegeben werden. Der Himmel hellte sich am in den Mittagsstunden zuerst im Westen des Landes und später im Osten allmählich wieder auf. Am Abend war der Spuk dann in fast ganz Griechenland schon wieder vorbei.
Vor den in Athen unzähligen Autowaschanlagen bildeten sich monumentale Warteschlagen. Das Motto lautete unisono: „Der Dreck muss weg!“
Ferry Batzoglou, Athen