Eineinhalb Monate vor der Europawahl wird das EU-Parlament von einem Spionageskandal erschüttert. Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah ist am Dienstag in Dresden wegen des Verdachts festgenommen worden, für China spioniert zu haben. Das Europaparlament zog umgehend Konsequenzen. „In Anbetracht der Schwere der Enthüllungen hat das Parlament die betreffende Person mit sofortiger Wirkung suspendiert“, teilte eine Parlamentssprecherin in Straßburg mit.
Assistent im Büro von Maximilian Krah
„Das Parlament wird mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten und entsprechende Folgemaßnahmen ergreifen“, sagte die Parlamentssprecherin weiter. G. arbeitete demnach als akkreditierter Assistent im Büro von Krah im EU-Parlament. Die Organisation Lobbycontrol warf Krah Versäumnisse vor. „Der Spionageverdacht gegen seinen Mitarbeiter ist bereits seit 2023 bekannt, Krah zog damals keine Konsequenzen“, erklärte Aurel Eschmann von Lobbycontrol am Dienstag. Damit habe Krah „nicht nur die Integrität der EU, sondern auch deren Sicherheitsinteressen gefährdet“. Ein Sprecher Krahs wies diesen Vorwurf am Dienstag zurück.
Dem deutschen Staatsbürger Jian G. werde Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt, teilte die deutsche Bundesanwaltschaft am Dienstag mit. Krah beteuerte, aus der Presse von der Festnahme seines Mitarbeiters erfahren zu haben. „Weitere Informationen liegen mir nicht vor.“ Der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei „eine schwerwiegende Anschuldigung“, erklärte Krah und fügte hinzu: „Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.“ Krah fand sich jüngst auch in einer Affäre rund um ein pro-russisches Desinformationsportal namens „Voice of Europe“ wieder, das von der tschechischen Regierung im März abgedreht worden war.
Bundesgerichtshof entscheidet über Haftbefehl und Untersuchungshaft
Der vorläufig festgenommene Mitarbeiter werde im Laufe des Tages dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der über einen Haftbefehl und Untersuchungshaft entscheiden werde, teilte die Bundesanwaltschaft weiter mit. Der Beschuldigte habe im Jänner 2024 wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament an seinen nachrichtendienstlichen Auftraggeber weitergegeben. Zudem habe er für diesen chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht. Der Hinweis auf den Beschuldigten kam nach Angaben der Anklagebehörde vom Bundesverfassungsschutz. Mit den polizeilichen Ermittlungen sei das Bundeskriminalamt beauftragt.
Aus der Bundesgeschäftsstelle der AfD hieß es am Dienstag: „Die Meldungen über die Verhaftung eines Mitarbeiters von Herrn Krah wegen Spionageverdachts sind sehr beunruhigend. Da uns derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorliegen, müssen wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten.“
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Spionagevorwürfe als „äußerst schwerwiegend“. „Wenn sich bestätigt, dass aus dem Europäischen Parlament heraus für chinesische Nachrichtendienste spioniert wurde, dann ist das ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie“, erklärte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. Ebenso schwer wiege der Vorwurf der Ausspähung der chinesischen Opposition. „Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung“, betonte Faeser.
Die Grünen im Europaparlament forderten eine rasche interne Untersuchung der Volksvertretung. „Menschen, die die Integrität unserer Demokratien angreifen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte am Dienstag die Grünen-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Terry Reintke. Das Europaparlament müsse noch vor den Wahlen Anfang Juni erste Ergebnisse liefern. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU), sprach im RBB von einem „ungeheuerlichen, sehr schwerwiegenden Vorgang“. Hier werde „einer der engsten Mitarbeiter des Spitzenkandidaten der AfD festgenommen, weil er für die chinesischen Dienste Oppositionelle und Dissidenten in Deutschland ausspioniert hat“, kritisierte er. Mit scharfer Kritik äußerten sich auch Politiker von SPD und FDP.
„Freunde von Harald Vilimsky, Herbert Kickl und Co.“
In Österreich meldete sich die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zur Wort. „Das sind die Freunde von Harald Vilimsky, Herbert Kickl und Co.“, sagte sie mit Blick auf die freundschaftlichen Beziehungen der AfD mit der FPÖ. „Die rechtsextreme FPÖ ist in einen russischen Spionageskandal verwickelt und die rechtsextreme deutsche AfD ist in einen chinesischen Spionageskandal verwickelt. Das zeigt: FPÖ und AfD sind offenbar bereit, ihr eigenes Land zu verraten - es geht ihnen ausschließlich um den eigenen Vorteil.“ Maurer wies darauf hin, dass Krah erst im Jänner bei einer Veranstaltung der Identitären in Österreich zu Gast gewesen sei, und im Februar auf Einladung des FPÖ-EU-Delegationsleiters Harald Vilimsky in Wien. Dieser äußerte sich am Dienstag auf Journalistenfragen in Straßburg zurückhaltend zur Affäre. Den Mitarbeiter Krahs „muss man sich natürlich anschauen“, sagte er. Doch müsse man „das Auge auf alle Sümpfe legen“, sagte er mit Blick auf EU-Korruptionsaffären wie jene rund um die Impfstoffbeschaffung oder die griechische Sozialistin Eva Kaili.
China leugnet jede Beteiligung
Das chinesische Außenministerium wies die Vorwürfe scharf zurück. Sie dienten dazu, „China zu verleumden und zu unterdrücken“, erklärte der Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag. Es gehe darum, „die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören“. China habe sich „immer an das Prinzip des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der anderen gehalten“, sagte Wang weiter. „Wir hoffen, dass die zuständigen Mitarbeiter in Deutschland ihre Mentalität des Kalten Krieges aufgeben und die so genannte Spionagebedrohung nicht mehr für politische Manipulationen gegen China nutzen.“
Bereits am Montag waren drei mutmaßliche Spione für China in Düsseldorf und Bad Homburg festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft hatte die drei Deutschen wegen Spionageverdachts festnehmen lassen. Die beiden Männer und eine Frau sollen demnach in Deutschland Informationen über Militärtechnik beschafft haben, um sie an den chinesischen Geheimdienst weiterzugeben. Zum Zeitpunkt der Festnahmen hätten sich die Beschuldigten in Verhandlungen über Forschungsprojekte befunden, die insbesondere zum Ausbau der maritimen Kampfkraft Chinas nützlich sein könnten, hieß es.