Die Schweiz will sich im Fall eines russischen Angriffs gemeinsam mit ihren europäischen NATO-Partnern gegen den Aggressor wehren. Dies machte die Schweizer Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd am Dienstag in Wien klar. Zwar gebe es bei der Luftabwehrinitiative „European Sky Shield“ einen Neutralitätsvorbehalt. „Sollte es einen Angriff auf die Schweiz geben, dann ist die Situation anders, dann fällt die Neutralität dahin.“
Van der Bellen bemängelt Kooperation
In einem solchen Fall könne die Schweiz dann „mit Partnern unsere Verteidigung organisieren“, fügte die christdemokratische Politikerin hinzu. Wie bei jedem Waffensystem hoffe man, dass der Abwehrschirm „nicht zum Einsatz kommt“. Die Kooperation würde der Schweiz aber im Verteidigungsfall helfen, argumentierte Amherd bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg.
Die beiden neutralen Länder beteiligen sich an der im Vorjahr vom NATO-Staat Deutschland ins Leben gerufenen Initiative, bei der es insbesondere um gemeinsame Beschaffung, Schulungen und Informationsaustausch geht, etwa durch Radardaten.
Van der Bellen äußerte ebenfalls klare Unterstützung für die Sky-Shield-Initiative. Die Beschaffung von Raketenabwehrsystemen sei „sehr teuer“ und „für kleine Staaten zu teuer, um es allein zu machen“, betonte er. Mit Blick auf die Neutralität beider Staaten bezeichnete er es als „Glück der Geschichte“, dass Österreich und die Schweiz im militärischen Bereich kooperieren könnten. Überhaupt sei es aber an der Zeit, über eine bessere Organisation der Verteidigung innerhalb der EU nachzudenken. Die aktuellen Versorgungsprobleme etwa im Munitionsbereich rührten nicht daher, dass die Länder zu wenig für Militär ausgeben, sondern dass sie zu wenig kooperieren. „Der Krieg in der Ukraine macht uns darauf aufmerksam: Wir haben eine Kooperationsproblem“, so der Bundespräsident.
Van der Bellen hatte Amherd am Dienstagvormittag mit militärischen Ehren am Ballhausplatz empfangen. Die seit Jahresbeginn amtierende Präsidentin holt einen Besuch nach, den sie Ende Jänner coronabedingt hatte absagen müssen. Am Nachmittag wollte sie auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) treffen.
Im Mittelpunkt der Gespräche der beiden Staatsoberhäupter standen die Ukraine und die EU-Annäherung der Schweiz. Amherd äußerte in diesem Zusammenhang die Hoffnung, dass die seit Mitte März laufenden Gespräche zwischen Bern und Brüssel noch vor Jahresende erfolgreich abgeschlossen werden können. Man arbeite mit großem Druck, doch müsse am Ende die Qualität passen, sagte sie unter Verweis auf die Tatsache, dass das Verhandlungsergebnis am Ende auch in einer Volksabstimmung Bestand haben müsse. Van der Bellen äußerte seine Hoffnung auf einen positiven Ausgang der Verhandlungen, weil nicht nur die Schweiz die EU brauche, sondern auch umgekehrt. Er selbst würde sich freuen, wenn die Schweiz „nicht nur ein fester europäischer Freund ist“, sondern auch „neben uns im Europäischen Rat sitzen würde“. Es sei „schade“, dass dies unrealistisch sei, fügte er hinzu.
Amherd bekräftigte auch den Plan der Schweiz, noch vor dem Sommer eine Ukraine-Friedenskonferenz auszurichten. Details zu Zeit und Ort könne sie aber noch nicht nennen, sagte sie auf eine entsprechende Frage. Die Pläne waren im Jänner am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) im Graubündner Skiort Davos vorgestellt worden. Der russischen Aggression in der Ukraine begegnen die beiden neutralen Staaten Schweiz und Österreich ähnlich: Scharfe Verurteilung der Aggression einschließlich Wirtschaftssanktionen und humanitäre Unterstützung für das Opfer der Aggression, aber keine Militärhilfe.