Die Slowakei, ein unmittelbares Nachbarland Österreichs ebenso wie der Ukraine, wählt am Samstag ein neues Staatsoberhaupt. Wie spannend die Entscheidung am Ende wird, illustrieren die vier letzten Umfragen, die alle am Mittwoch veröffentlicht wurden. In zwei davon lag der sozialdemokratische und vom linkspopulistischen Premier Robert Fico unterstützte Parlamentspräsident Peter Pellegrini teils hauchdünn voran, in zwei anderen der liberale Ex-Außenminister und Diplomat Ivan Korcok.
Der an der Wirtschaftsuniversität Bratislava lehrende Politikwissenschaftler Radoslav Stefancik weist im Gespräch mit der Kleinen Zeitung darauf hin, dass diese Umfragen aber sowieso mit Vorsicht zu bewerten seien: Vor dem ersten Wahldurchgang am 23. März hätten die Umfragen ja auch Pellegrini voran gesehen, aber am Ende habe Korcok mit fünfeinhalb Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Gerade der Überraschungssieg im ersten Wahlgang hat dem Korcok-Team offenbar gewaltigen Schwung verliehen. Zudem nützte Korcok erfolgreich den Mobilisierungsschub der seit Dezember von den liberalen und konservativen Oppositionsparteien organisierten Massenproteste, indem er sie im Wahlkampffinale in Kundgebungen zu seiner Unterstützung ummünzte.
Fico baut die Slowakei um
An diesem Mittwoch, dem letzten Tag, an dem noch Wahlveranstaltungen erlaubt waren, ließ er sich erneut auf einer Massenkundgebung feiern. Die liberale und konservative Opposition hat zwar die Parlamentswahl im Herbst verloren, zeigte aber bei diesen Protestkundgebungen gegen die Justizreform oder Medien-Umbaupläne ein selbst für Experten überraschend starkes Mobilisierungspotenzial unter den mit dem Wahlergebnis Unzufriedenen. „Diese Demonstrationen haben Ivan Korcok sicherlich geholfen. Viele Menschen sind der Ansicht, dass die Regierungsparteien keine Politik zum Wohle der Bürger machen, sondern in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen“, sagt Stefancik. Der ursprünglich hoch favorisierte Pellegrini hingegen wirkte in der Endphase des Wahlkampfs zunehmend unsicher, lehnte mehrere TV-Duelle und Radiodiskussionen ab und trat auch bei keinen großen Wahlkundgebungen auf.
Bei der Parlamentswahl im Herbst gaben die Wählerstimmen aus kleinstädtisch-ländlichen Regionen den Ausschlag zugunsten der nunmehrigen Dreiparteien-Koalition aus Ficos Partei Smer-SSD,der davon 2020 abgespaltenen Pellegrini-Partei Hlas-SD und der zwar kleinen, aber lautstarken, nationalistisch-prorussischen SNS. Fico begann daraufhin, die Slowakei nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Militärhilfe an das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine stoppte er, außenpolitisch führte er das Land immer mehr auf einen russlandfreundlichen und EU-kritischen Kurs.
Mit einem Sieg Pellegrinis könnte sich Fico nun eine weitere zentrale Schaltstelle im Machtapparat sichern. Dass Pellegrini im Kampf gegen seinen dezidiert pro-westlichen Rivalen zuletzt versuchte, die Gruppe der politikverdrossenen Wohlstandsverlierer mit für ihn untypisch nationalistisch wirkenden Tönen anzulocken, werde aber möglicherweise als Schuss nach hinten losgehen, meint der Politologe Stefancik. „Das Problem ist, dass Pellegrini mit seiner Wahlkampfrhetorik nach rechts gerückt ist. Diese Art der Argumentation könnte jedoch seine ursprünglichen Wähler vergraulen, die in ihm eine Art modernen Sozialdemokraten sehen.“