Angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen warnen international anerkannte Experten, dass in Teilen Gazas eine Hungersnot unmittelbar bevorsteht. Im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens werde diese voraussichtlich zwischen Mitte März und Mai eintreten, hieß es am Montag in dem neuen Bericht der sogenannten IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen. In den vergangenen Monaten habe man eine zunehmende Verschlechterung der Ernährungssituation festgestellt.
Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen - etwa 1,1 Millionen Menschen - ist nach Angaben der sogenannten Integrated Food Security Phase Classification (IPC) in der schlimmsten Notlage. Die Initiative hat ein mehrstufiges System, nach dem es beurteilt, wie viele Menschen wie stark von Hunger betroffen sind. Die höchste Stufe 5 wird mit „Hungersnot-ähnlichen Zuständen“ umschrieben. Die IPC-Initiative wird von den Vereinten Nationen genutzt und besteht aus vielen verschiedenen UN-Organisationen und internationalen Hilfsgruppen.
Im gesamten Gazastreifen ist die Bevölkerung nach Angaben der Experten mit einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Bereits Ende vergangenen Jahres schlugen die Experten Alarm. Zu dem Zeitpunkt waren bereits fast 577.000 Menschen in der höchsten Kategorie.
Sollten die Feindseligkeiten nicht aufhören und humanitäre Hilfe nicht bald in großem Umfang die bedürftigsten Menschen erreichen, drohe im schlimmsten Fall auch für den Rest des Gazastreifens die unmittelbare Gefahr einer künftigen Hungersnot, so die Experten.
Zwei Todesfälle pro Tag
Die offizielle Einstufung als Hungersnot bedeutet konkret, dass mindestens 20 Prozent der Bevölkerung von extremem Mangel an Nahrung betroffen sind. Zudem leidet laut IPC dann mindestens jedes dritte Kind unter akuter Mangelernährung. Außerdem kommt es zu mindestens zwei Todesfällen pro Tag pro 10.000 Einwohner, verursacht durch unmittelbaren Hungertod oder durch die Kombination aus Mangelernährung und Krankheiten.
Durch die Erklärung einer Hungersnot wird zwar keine formelle internationale Reaktion ausgelöst - sie gilt aber als größtes Alarmzeichen für den bevorstehenden Tod Zehntausender Menschen. Seit 2010 wurden zwei Hungersnöte von der IPC-Initiative festgestellt - 2011 in Somalia und 2017 im Südsudan. Beide Ereignisse führten zu weitverbreiteter akuter Mangelernährung und zum Tod von Zehntausenden Menschen.
Der extrem eingeschränkte Zugang der humanitären Hilfe zum und innerhalb des Gazastreifens behindere weiterhin die sichere und gerechte Bereitstellung lebensrettender Hilfe, hieß es weiter. Man klage seit geraumer Zeit über schwerwiegende Einschränkungen bei der Lieferung von Gütern und der Grundversorgung. Als Ergebnis verzichten den neuesten Daten des IPC-Berichts zufolge praktisch alle Haushalte täglich auf Mahlzeiten und Erwachsene reduzieren ihre Mahlzeiten, damit Kinder essen können.