Das israelische Militär hat in Gaza-Stadt nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sechs Menschen getötet, die auf Hilfsgüter gewartet haben. Dutzende weitere seien bei dem Beschuss verletzt worden. Das israelische Militär gab zunächst keine Stellungnahme zu dem Vorfall ab. Insgesamt starben binnen 24 Stunden wieder Dutzende Menschen.
Menschen seien am späten Mittwochabend zum Kuwait-Kreisverkehr im Norden von Gaza-Stadt geeilt, um dort Hilfsgüter zu holen, berichteten Anrainer und die palästinensische Behörde, die von der militanten Palästinenser-Organisation Hamas kontrolliert wird. Dann hätten israelische Soldaten das Feuer eröffnet. Bei einem ähnlichen Vorfall am 29. Februar waren nach palästinensischen Angaben mehr als hundert Menschen erschossen worden, als sie in der Nähe von Gaza-Stadt auf eine Hilfslieferung warteten. Israel machte Menschenmengen, die die Lkw umzingelten, für die Todesfälle verantwortlich und erklärte, die Opfer seien niedergetrampelt oder überfahren worden.
Raketenalarm in Israel
Auch mehr als fünf Monate nach Beginn des Gaza-Krieges kommt es weiter zu Angriffen aus dem Gazastreifen auf israelische Grenzorte. Die israelische Armee teilte am Donnerstag mit, am Vortag sei vom zentralen Abschnitt des Küstenstreifens aus eine Mörsergranate in Richtung des grenznahen Kibbutz Nahal Oz abgefeuert worden. Das Geschoß sei noch innerhalb des Gazastreifens niedergegangen. Am Mittwoch hatte es in mehreren Grenzorten in Israel Raketenalarm gegeben.
„Binnen Minuten wurden die Terroristen, die für den Angriffsversuch verantwortlich waren, von einem israelischen Kampfjet getroffen und ausgeschaltet“, hieß es weiter in der Mitteilung. Bei weiteren Vorfällen im Gazastreifen seien mehrere bewaffnete Palästinenser getötet worden.
Auch im Süden des Gazastreifens habe die Armee ihre Einsätze fortgesetzt. In Khan Younis hätten Truppen in dem Viertel Hamad Raketenabschussrampen gefunden und zerstört. Zwei Terroristen seien dort von einem Kampfjet getötet worden.
In Hamad befindet sich ein vom Golfemirat Katar finanziertes neues Wohnviertel. Nach israelischen Informationen hielten sich dort zahlreiche Hamas-Terroristen versteckt. In den modernen Häuserkomplexen seien auch zahlreiche Waffen gefunden worden.
73.100 Verletzte
Nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde im Gazastreifen, wurden binnen 24 Stunden 69 Menschen getötet und 100 weitere verletzt. Damit sei die Zahl der seit Kriegsbeginn am 7. Oktober getöteten Palästinenser im Gazastreifen auf 31.341 gestiegen. Mehr als 73.100 weitere Menschen seien verletzt worden. Mehr als zwei Drittel davon seien Frauen und Minderjährige. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Angesichts der schlimmen humanitären Lage und der vielen zivilen Opfer gibt es inzwischen aus vielen Ländern Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Sie ermordeten dabei rund 1.200 Menschen und verschleppten 250 weitere in den Küstenstreifen.
Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant deutete bei einem Truppenbesuch im umkämpften Gazastreifen einen baldigen Beginn der von Israels Premier Benjamin Netanyahu geplanten, umfassenden Militäroffensive auch in der südlichen Stadt Rafah an. „Es gibt keinen sicheren Hafen für Terroristen in Gaza“, sagte er am Mittwoch laut einer Mitteilung der israelischen Regierung. „Selbst diejenigen, die denken, dass wir verzögern, werden bald sehen, dass wir jede Region erreichen werden.“
Zwar erwähnte er die im Süden Gazas gelegene Stadt Rafah nicht namentlich, die „Times of Israel“ wertete seine Äußerung aber als Hinweis auf die geplante Offensive in Rafah. Gallant könnte sich dabei auf Berichte bezogen haben, wonach Verbündete Israel gedrängt haben, eine Invasion in Rafah aufzuschieben, schrieb dazu die „New York Times“.
„Humanitäre Inseln“ im Zentrum
In Rafah an der Grenze zu Ägypten suchen derzeit nach Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten des Gazastreifens. Israels Streitkräfte erklärten laut der „Times of Israel“ am Mittwoch, dass ein großer Teil der Menschen vor einer Militäroperation auf „humanitäre Inseln“ im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets gebracht würden. Ihre Umsiedlung in ausgewiesene Gebiete werde in Abstimmung mit internationalen Akteuren erfolgen, wurde der Sprecher der Armee, Daniel Hagari, zitiert. Wann die Evakuierung stattfinden soll und wann die Offensive auf die Stadt beginnen werde, sagte er nicht.
Israels Premier Netanyahu hatte sich kürzlich entschlossen gezeigt, die geplante Militäroffensive gegen die Hamas in Rafah trotz internationaler Warnungen bald zu beginnen. „Wir sind einem Sieg sehr nahe“, sagte der Rechtspolitiker in einem von „Bild“, Welt TV und „Politico“ geführten Interview. „Politico“ berichtete am Mittwoch zudem, ranghohe US-Beamte hätten ihren israelischen Amtskollegen mitgeteilt, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden es unterstützen würde, wenn Israel gezielte Schläge gegen die Hamas in Rafah vornimmt, solange von einer groß angelegten Invasion abgesehen wird. Biden hatte eine Rafah-Offensive am Wochenende zu einer „Roten Linie“ erklärt.
Die israelische Armee tötete am Mittwoch nach eigenen Angaben einen wichtigen Kommandant der Hamas bei einem gezielten Angriff. Laut dem UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA wurde dabei ein Zentrum der Organisation zur Verteilung von Lebensmitteln und Hilfsgütern getroffen. Mindestens ein UNRWA-Mitarbeiter sei getötet und 22 weitere seien verletzt worden. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden insgesamt fünf Menschen getötet. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, man prüfe die Berichte.