Es ist fast schon idyllisch, wenn man am Golf von Suez auf das Rote Meer blickt. Da wo sich früher Tanker an Tanker, Containerschiff an Containerschiff wie Perlenketten aneinanderreihten und auf die Durchfahrt durch den Suezkanal warteten, herrscht heute fast gähnende Leere. Ab und zu sieht man einen großen Öltanker vor dem neuen Hafen von Ain Sokhna und darauf warten, gelöscht zu werden. Denn im 130 Kilometer südlich von Kairo gelegenen Ain Sokhna können Tanker mit Übergröße, die nicht durch den Suezkanal passen, ihr Öl abpumpen, das dann durch eine Pipeline zu einem Terminal an der Mittelmeerküste transportiert, wo es dann wieder auf Schiffe geladen wird.
Die im Gütertransport führende dänische Reederei Maersk, die deutsche Hapag-Lloyd, die Schweizer MSC und auch die französische CMA-CGM, die das Gros der Transporte durch den Suezkanal ausmachen, schicken ihre Schiffe mittlerweile um das Kap der Guten Hoffnung bei Südafrika. Grund sind die nicht enden wollenden Angriffe der Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf Schiffe, die entweder israelische Häfen anfahren sollen oder Ländern gehören, die Israel im Krieg gegen die Hamas unterstützen. Seit Mitte November vergeht keine Woche, in der nicht Angriffe auf Handelsschiffe gemeldet werden.
Da immer weniger Schiffe durch das Rote Meer Richtung Suezkanal fahren, konzentrieren die Huthis ihre Angriffe jetzt auf die Meerenge Bab al Mandab und die Südküste des Jemens. Bei einem Raketenangriff vor wenigen Tagen auf einen unter der Flagge von Barbados fahrenden Frachter, wurden dort drei Besatzungsmitglieder getötet. Damit ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Bisher verursachten die Angriffe Sachschäden oder verhinderten die Weiterfahrt. So auch im Falle des amerikanischen Frachters „Rubymar“, der stark beschädigt in der Meerenge zwischen Rotem Meer und dem Golf von Aden sank und eine Ölspur hinter sich ließ. Experten gehen zudem davon aus, dass der sinkende Frachter ein Unterwasserkabel beschädigte, was zu Netzausfällen weltweit führte.
Unterbrochene Lieferketten
„Hätten Sie sich je vorstellen können, dass die Huthis Lieferketten und die Inflation auf der ganzen Welt beeinflussen können?“, fragt UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. „Eine kleine Gruppe aus den Bergen, die eine solche Wirkung hat – ist das nicht ein Beispiel für das Chaos auf der Welt?“ Tatsächlich treffen die Aktionen der Huthis den Welthandel erheblich. Denn durch die De-Facto-Blockade des Suezkanals, über den zwölf Prozent des Welthandels und 30 Prozent des Containerfrachtaufkommens laufen, werden viele Lieferketten verzögert oder gar unterbrochen. „Tesla musste das Werk zwei Wochen lang schließen, Volvo musste sein Werk in Gent in Belgien zwei Wochen schließen, weil die Teile nicht rechtzeitig angekommen sind“, sagt Martin Kröger, -Geschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder. Die gestiegenen Kosten, die durch den Umweg um Afrika entstehen, bekommen dabei auch die Verbraucher zu spüren. So liegt die Frachtrate für den Transport eines Standardcontainers von China nach Nordeuropa zwar mittlerweile unter dem Rekord im Jänner, mit 4500 Dollar ist der Spotpreis aber immer noch drei Mal so hoch wie vor dem Jahreswechsel.
Ägypten selbst verliert infolge der Angriffe Millionen von Dollar – jeden Tag. Ursprünglich hat der Suezkanal dem Land pro Jahr Einnahmen von zehn Milliarden US-Dollar beschert. Im Geschäftsjahr 2022/23 hatten rund 26.000 Schiffe den Suezkanal befahren. Seit den Angriffen der Huthis seien die Umsätze aber um 40 bis 50 Prozent eingebrochen, sagt Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi.
Auch Österreich an Marine-Mission beteiligt
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es jetzt. Im Rahmen einer EU-Mission, die den Namen „Aspides“ trägt, sollen Handelsschiffe im Roten Meer besser geschützt werden. Die deutsche Fregatte „Hessen“ ist bereits dort eingetroffen und kam prompt zum Einsatz. Zwei Drohnen der Huthi-Rebellen sollen bereits von der Besatzung abgeschossen worden sein. Anders als die Mission der Amerikaner und Briten, die auch Luftangriffe als Vergeltung fliegen, hat die EU-Mission ausschließlich den Abwehrkampf zum Ziel.
Drohnen und Raketen, die die Huthis auf Frachter gelenkt haben, sollen vernichtet werden. Frankreich, Deutschland, Italien und Belgien nehmen an der Mission teil, auch Österreich ist mit zwei Offizieren beteiligt, die im Hauptquartier im griechischen Larissa ihr Know-How in den Bereichen Logistik und Kommunikation einbringen sollen.
Birgit Svensson