Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hat laut ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer Thorsten Frei eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses wegen der russischen Abhöraktion gegen Offiziere der deutschen Luftwaffe noch für diese Woche beantragt. Das sagte der CDU-Politiker am Dienstag in der Früh im Radiosender WDR5. Nach der russischen Abhöraktion diskutieren Regierung und Opposition in Deutschland weiter über notwendige Konsequenzen.
„Ohne Schaum vor dem Mund“
Er hielte es für unverantwortlich, nach der Veröffentlichung der Mitschnitte noch über eine Woche zu warten, bis entscheidende Fragen gegenüber dem Parlament geklärt werden, sagte Frei hinsichtlich der Ausschusssitzung. Mahnungen, man dürfe sich von Russland nicht spalten lassen, entgegnete er, die CDU/CSU agiere „ohne Schaum vor dem Mund“. „Es gibt ein legitimes Aufklärungsinteresse, darum geht es uns“, betonte der CDU-Politiker.
Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, veröffentlicht. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. In dem Mitschnitt ist aber auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hatte eine Sondersitzung für kommenden Montag in Aussicht gestellt.
Innenministerin Nancy Faeser unterstrich die Abwehrbereitschaft deutscher Geheimdienste. „Wir haben unsere Schutzmaßnahmen gegen Spionage und Desinformation weiter hochgefahren und reagieren laufend auf aktuelle Entwicklungen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). „Putins Propaganda-Apparat will unseren Staat diskreditieren, die Meinungsbildung manipulieren und unsere Gesellschaft spalten. All das wird Putin nicht gelingen“, betonte sie. Die Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungsschutz sei personell und technisch deutlich verstärkt worden. Es bleibe ein wesentlicher Schwerpunkt der Spionageabwehr, die Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste zu bekämpfen.
Die US-Regierung warf Russland vor, durch die Veröffentlichung des Mitschnitts Misstrauen schüren zu wollen. Es handle sich um einen „dreisten und durchschaubaren Versuch der Russen, Zwietracht zu säen“ und es so aussehen zu lassen, als sei der Westen nicht geeint und als gebe es auch innerhalb der Regierung in Deutschland keine Einigkeit darüber, was sie tue, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Montag. Man werde sich dem aber nicht beugen, denn das sei es, was Russland wolle.
Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, veröffentlicht. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. In dem Mitschnitt ist aber auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte. Am Montag bekräftigte er seine Position und sagte: „Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.“ Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen.
Voraussichtlich am kommenden Montag will sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung mit der Abhöraffäre beschäftigen. „Bis dahin haben wir auch mehr Informationen“, sagte die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) der „Rheinischen Post“ (online Montag/Print Dienstag). „Wir werden darüber beraten, inwieweit unsere Institutionen auf einen hybriden Angriff vorbereitet sind.“ Sie erwarte auch von der Opposition, mit Ernsthaftigkeit, aber auch Souveränität mit der Lage umzugehen. „Putin möchte nämlich nur eines, dass wir jetzt übereinander herfallen.“
Die Union drängt dagegen darauf, dass der Verteidigungsausschuss noch in dieser Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Zugleich bekräftigte die größte Oppositionskraft eine frühere Forderung nach der Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates. „In solchen Krisenfällen kann er die politische Steuerung übernehmen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), der Zeitung „Rheinischen Post“ (Dienstag) laut Vorausbericht.
Mehr Zustimmung für Taurus-Lieferung
Anders als der Kanzler befürworten FDP und Grüne eine Taurus-Lieferung, die Union auch. Strack-Zimmermann hatte im Februar als einziges Mitglied ihrer Fraktion einem Unionsantrag zugestimmt, der diese Forderung enthielt. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) rechnet im Parlament mit mehr FDP-Stimmen, sollte es im Bundestag dazu eine neue Abstimmung geben. „Ich bin sicher, die Union wird nächste Woche wieder einen Antrag stellen und ich bin mir auch sicher, dass diesmal mehr Abgeordnete dafür stimmen werden, Taurus in die Ukraine zu liefern“, sagte FDP-Vize Kubicki dem „Münchner Merkur“ (Dienstag). „Schon beim letzten Mal hätten mindestens ein Dutzend weitere Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, liebend gern dem Unionsantrag zugestimmt, haben sich aber der Koalitionsdisziplin gefügt. Ich war auch kurz davor. Diesmal wäre für mich der Punkt erreicht, es zu tun“, sagte Kubicki.
SPD-Außenpolitiker Nils Schmid schließt indes nicht aus, dass Scholz von seinem Nein zur Taurus-Lieferung noch abrücken wird. „Die technischen, verfassungsrechtlichen und auch die strategischen Hürden sind höher als bei anderen Waffensystemen. Aber das schließt nicht aus, dass die Regierung in der Zukunft zu einer anderen Abwägung kommt und sich doch zu einer Lieferung entscheidet“, sagte Schmid.