Israel ruft seinen Botschafter bei der UNO zurück. Er habe Gilad Erdan angewiesen, „für sofortige Konsultationen“ nach Israel zurückzukehren, erklärte Außenminister Israel Katz am Montagabend im Onlinedienst X. Grund sei der Versuch, „Informationen über die von der Hamas und ihren Verbündeten am 7. Oktober verübten Massenvergewaltigungen totzuschweigen“. Ein am Montag veröffentlichter UN-Bericht sah sexualisierte Gewalt bei dem Terroranschlag allerdings als wahrscheinlich an.
Es gebe „berechtigten Grund zur Annahme“, dass es zu Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen an mindestens drei Orten gekommen sei, hieß es in dem Papier, das von der zuständigen UN-Vertreterin Pramila Patten nach einem Besuch in Israel angefertigt wurde. Auch von der Hamas in den Gazastreifen entführte Geiseln seien mit großer Wahrscheinlichkeit vergewaltigt worden.
Enthüllungen sexueller Gewalt in der Hamas-Geiselhaft
Patten erhielt nach eigenen Angaben „klare und überzeugende Informationen“, wonach Geiseln in der Gewalt der Hamas vergewaltigt wurden. Diese Informationen führten auch zu der Annahme, „dass derartige Gewalt weiter andauert gegen diejenigen, die noch festgehalten werden“.
Patten hatte sich im Februar mehrere Tage in Israel aufgehalten. Dort sprach sie mit Überlebenden, Zeugen und Sicherheitskräften. Zudem traf die UN-Beauftragte aus der Hamas-Geiselhaft freigelassene Israelis. Zuvor waren die Vereinten Nationen beschuldigt worden, zu langsam auf die von Israel gegen die Hamas erhobenen Vorwürfe von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt während des brutalen Großangriffs am 7. Oktober reagiert zu haben.
Unter diesen Orten sei das Gelände eines Musikfestivals, das von den Terroristen am 7. Oktober überfallen wurde. „Bei den meisten dieser Vorfälle wurden Opfer einer Vergewaltigung anschließend getötet, und mindestens zwei Vorfälle standen im Zusammenhang mit der Vergewaltigung von Frauenleichen“, hieß es weiter.
Außerdem gebe es „klare und überzeugende Informationen darüber, dass sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sexualisierte Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung, gegen Geiseln verübt wurde“. Diese könnte in der Gefangenschaft im Gazastreifen momentan weiter andauern.
Verschärfung der Vorwürfe
Die Beziehungen zwischen Israel und der UNO haben sich bereits seit Beginn des Gaza-Kriegs verschlechtert. Ende Oktober hatte Botschafter Erdan UN-Generalsekretär António Guterres zum Rücktritt aufgefordert. Auslöser war eine Rede von Guterres, in der dieser den Hamas-Angriff auf Israel zwar scharf verurteilt, aber gleichzeitig gesagt hatte, die Angriffe der radikalislamischen Palästinenserorganisation seien „nicht im luftleeren Raum erfolgt“.
Am Montag untermauerte Erdan vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York die Terrorvorwürfe Israels gegen das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge UNRWA. Der Diplomat zeigte während seiner Rede am Montag ein Video, das einen UNRWA-Mitarbeiter am 7. Oktober in Israel zeigen soll. In dem Ausschnitt, den Erdan auf einem Tablet hochhielt, waren zwei Personen zu sehen, die einen scheinbar leblosen Körper in ein Fahrzeug heben.
Der Diplomat sagte, bei einem der Männer handle es sich um eine Person, die als Sozialarbeiter für die UN-Organisation gearbeitet habe. „UN-Mitarbeiter entführen israelische Kinder!“, rief Erdan aus. Von den 13.000 UNRWA-Mitarbeitenden im Gazastreifen seien Hunderte „aktive Terroristen“, zwölf Prozent seien Mitglieder von Hamas oder der Gruppe „Islamischer Jihad in Palästina“, sagte Erdan weiter. „UNRWA hat sich als maßgeblicher Teil der Terrormaschinerie der Hamas erwiesen.“ Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Kontroversen um UNRWA
Militärsprecher Daniel Hagari warf der UNRWA vor, über 450 Kämpfer der Hamas und anderer extremistischer Gruppen zu beschäftigen. „Über 450. Das ist kein bloßer Zufall. Das ist systematisch“, erklärt er in Israel. Diese Angaben sowie weitere Geheimdienstinformationen seien an internationalen Partner weitergegeben worden, unter anderem an die Vereinten Nationen.
Mehrere westliche Länder haben wegen der Anschuldigungen ihre Zahlungen an UNRWA eingefroren, darunter die beiden größten Geldgeber, die USA und Deutschland. UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Vorwürfe in der Vergangenheit glaubwürdig und versprach umfassende Aufklärung. Die Zusammenarbeit mit mehreren Angestellten sei sofort beendet worden.
UNRWA kümmert sich bereits seit Jahrzehnten speziell um die Belange palästinensischer Flüchtlinge im Nahen Osten und betreibt unter anderem Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Insgesamt arbeiten mehr als 30.000 Menschen für die Organisation, etwa 13.000 allein im Gazastreifen. Dort gilt UNRWA für die humanitäre Versorgung von mehr als zwei Millionen Zivilisten, die unter den Folgen des Gaza-Kriegs leiden, momentan als alternativlos.