Das von Russland abgehörte und veröffentlichte Gespräch zwischen deutschen Bundeswehroffizieren, die über den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern für die Ukraine diskutieren, kommt für den Kreml zur rechten Zeit. Im Krieg gegen die Ukraine wähnt sich der russische Präsident Wladimir Putin im Vorteil. Der Westen macht hingegen weiter mit Uneinigkeit von sich reden. Während Frankreich mehr europäische Initiative fordert, mauert Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weigert sich weiter, Taurus-Marschflugkörper nach Kiew zu liefern – dadurch würde Deutschland zur Kriegspartei, so die Befürchtung. Denn das System könnte Ziele tief im russischen Hinterland treffen. Der ukrainischen Armee fehlt es derweil an Material, um am Schlachtfeld wieder in die Gänge zu kommen.
Militärisch ist der Taurus-Mitschnitt unspektakulär. Das Gespräch fördert keine Geheimnisse zutage. Auch ist es kein Beweis für einen geplanten Angriff auf die Krimbrücke oder dafür, dass Deutschland Kriegspartei ist. „Es ging um Eventualfragen, die der höchste Offizier der deutschen Luftwaffe ausarbeiten wollte, falls sie seitens der Politik gestellt werden, nicht um die Planung eines konkreten Vorgehens“, erklärt dazu Philipp Eder, Militärkommandant von Kärnten.
Politischer Schaden für Scholz
Trotzdem hat Russland mit dem Leak erreicht, was es wollte. Die Unsicherheit im Westen wird befeuert. Scholz gerät außen- wie innenpolitisch in Bedrängnis. Die oppositionelle CDU stellt bereits einen U-Ausschuss in den Raum, die Ampelkoalition bröckelt weiter. Drängen doch FDP und Grüne, gleich wie die CDU, auf die Taurus-Lieferung. Sprengkraft entwickelt der Mitschnitt vor allem auch deshalb, weil er im direkten Widerspruch zu Scholz’ Argumentation steht. Der betonte stets, die Taurus-Lieferung sei deshalb nicht möglich, da diese nur von deutschen Soldaten betrieben werden könnten.
In der vergangenen Woche hatte er bereits Bündnispartner Großbritannien erzürnt, weil er im Rahmen der Taurus-Debatte festhielt: „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden.“ London sprach von einem „eklatanten Missbrauch von Geheimdienstinformationen“. Das Ergebnis im aufgezeichneten Militärgespräch lautete ironischerweise: Die Zieldatenprogrammierung könnten auch die Ukrainer vornehmen. Und Scholz? Der bleibt bei seiner Position, spielt den Unerschütterlichen. „Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das“, betonte er am Montag noch. „Die Leaks haben ihr Ziel erreicht“, kommentierte indes der Militärexperte Carlo Masala die Reaktion.
Untypisches Vorgehen Russlands
Der Imageschaden ist perfekt. Dass deutsche Offiziere über eine unsichere Videotelefonie-Software kommunizieren, wirft kein gutes Licht auf Berlin. Die Bundeswehr hat ein Digitalisierungsproblem. Militärinsider beklagen, die Verschlüsselungstechnik der Bundeswehr sei unzureichend. Im Alltag und wenn es schnell gehen soll, tendieren Mitarbeiter dazu, private Endgeräte zu nutzen.
Trotzdem ist das Vorgehen Russlands untypisch. „Damit hat man sich künftige Möglichkeiten verbaut, wichtigere Gespräche abhören zu können. Mit Taurus wird man den Krieg nämlich nicht entscheiden“, erklärt Philipp Eder. Eine Erklärung für das „Opfer“ ist der Tod von Alexej Nawalny und die anstehenden Wahlen. Das Begräbnis am vergangenen Wochenende erweckte die russische Opposition zum Leben, Tausende kamen zur Verabschiedung – eine Niederlage für Putin, der sich im März erneut zum Präsidenten „wählen“ lässt. Er ging über zum Angriff.