Nach dem abgehörten Gespräch von deutschen Bundeswehroffizieren über den Marschflugkörper Taurus haben Politiker Aufklärung und weitreichende Konsequenzen gefordert. Russische Staatsmedien hatten ein abgehörtes Gespräch von Bundeswehroffizieren über den Marschflugkörper verbreitet. Ein russischer Teilnehmer könnte Zugang zu einer Webex-Konferenz der Bundeswehr-Offiziere gehabt haben. Moskau warf Berlin vor, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten.
Versuche, das Gespräch der Militärs als bloßes Gedankenspiel über Raketen und Panzer darzustellen, seien „böswillige Lügen“, so Medwedew, Vize des russischen Sicherheitsrats. „Deutschland bereitet sich auf einen Krieg mit Russland vor.“ Es sei zwar nicht klar, ob die „politische Führung“ und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Gespräche der Offiziere informiert gewesen seien, schrieb Russlands Ex-Präsident weiters auf Telegram am Sonntag.
„Leberwurstkanzler“
Zudem schmähte Medwedew Scholz als „Leberwurstkanzler“. Die Geschichte kenne jedoch viele Beispiele dafür, dass Militärs Kriege „anzetteln oder provozieren“ könnten.
CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte indes zum deutschen Sender ARD, es gebe Hinweise, dass ein russischer Teilnehmer bei der Digi-Telefonkonferenz dabei war. Diese stammten aus Quellen, „die sich berufsmäßig damit beschäftigen“. Es sei nun zu klären, wie die russischen Spione die Einwahlnummern bekommen hätten. Laut der deutschen Zeitung „Bild am Sonntag“ wurde die Sitzung mit Webex über eine Büro-Festnetzleitung der Bundeswehr auf die Mobiltelefone der Soldaten abgesetzt.
„Erstens müssen umgehend alle Verantwortlichen auf allen Ebenen der Bundeswehr umfassend zu geschützter Kommunikation geschult werden“, sagte Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), zu mehreren Sonntagszeitungen. „Zweitens muss gewährleistet sein, dass sichere und geheime Information und Kommunikation stabil möglich ist.“ Falls dies technisch nicht überall der Fall sei, müsse sofort nachgerüstet werden. Zudem müsse mehr in die Abwehr von Spionage investiert werden. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr müsse hierfür ertüchtigt werden - personell und materiell.
Dringender Handlungsbedarf
Der Vorfall zeige dringenden Handlungsbedarf. „Information und Kommunikation sind wesentliche Elemente der Angriffe Russlands auf die westliche Welt, auf Freiheit und Demokratie“, sagte Högl den Funke-Zeitungen. Die Veröffentlichung der abgehörten Beratung der Luftwaffe zu Taurus offenbare gravierende Lücken bei Sicherheit und Geheimhaltung.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer „sehr ernsten Angelegenheit“ und kündigte eine zügige Aufklärung an. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte eine schnelle Aufklärung durch den MAD gefordert. „Der Sachverhalt gehört vom MAD aufgeklärt“, sagte Strack-Zimmermann der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe). Die Absicht, dass der Mitschnitt gerade jetzt veröffentlicht worden sei, liege auf der Hand: „Russland möchte unter allen Umständen verhindern, dass der Taurus an die Ukraine geliefert wird.“
Strack-Zimmermann fuhr fort: „Nachdem der Kanzler die Lieferung des Marschflugkörpers erneut ausgeschlossen hat, die Gründe für seine Ablehnung aber binnen 24 Stunden von Fachleuten widerlegt worden sind, möchte man ihn offensichtlich davon abschrecken, doch noch grünes Licht zu geben, denn Russland fürchtet den Taurus, eben weil er so wirksam ist.“
„Naivität endlich ablegen“
Die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses bekräftigte: „Selbstverständlich muss der Taurus geliefert werden.“ Sie hoffe sehr, dass das dem Bundeskanzler und seinen Beratern klar geworden sei „und sie ihre Naivität endlich ablegen“. Deutschland werde von Russland ohnehin längst als Feind betrachtet.
Seit Freitag kursiert ein rund 38 Minuten langer Mitschnitt, in dem ein Gespräch zwischen vier deutschen Offizieren zu hören sein soll. Verbreitet wurde die Aufnahme von der Chefredakteurin des früher als Russia Today bekannten russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, im Onlinedienst Telegram. In dem Gespräch geht es um einen möglichen Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben, durch ukrainische Streitkräfte und deren mögliche Auswirkungen.
Die Ukraine fordert seit Monaten die Lieferung des Taurus-Waffensystems. Scholz schließt dies aber trotz Kritik auch aus den Reihen der Koalitionspartner aus. Er begründet seine Weigerung damit, dass Deutschland dadurch in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte, bis hin zu einer direkten Beteiligung des deutschen Militärs.
Viele Fachleute bestreiten allerdings, dass es einen solchen Automatismus gebe. Vielmehr könnten die ukrainischen Streitkräfte die Marschflugkörper sehr gut selbst bedienen und programmieren.