Kurz vor dem zweiten Jahrestag ihres Angriffs gegen die Ukraine hat die russische Armee das Land erneut mit Raketen- und Drohnenangriffen überzogen. Allein in der südukrainischen Stadt Odessa seien in der Nacht auf Freitag bei Angriffen drei Menschen getötet worden, erklärte die ukrainische Polizei im Online-Dienst Telegram. Unterdessen kündigten die USA das bisher schärfste Sanktionspaket gegen Russland seit Kriegsbeginn an.
In der Nacht auf Freitag beschoss die russische Armee mehrere Teile des Landes. Aus der Region um die zentralukrainische Stadt Dnipropetrowsk meldete Gouverneur Serhij Lysak eine „Horrornacht“. Rettungskräfte durchsuchten die Trümmer eines schwer beschädigten Gebäudes, in dem die Wohnungen „vollkommen zerstört“ worden seien.
Beim Beschuss von Odessa mit Raketen und Drohnen wurde nach Polizeiangaben eine „zivile Infrastruktureinrichtung“ in Brand gesetzt. Der ukrainische Generalstab schrieb in seinem täglichen Frontbericht am Freitag, die Luftabwehr habe über Nacht 23 russische Drohnen abgeschossen.
Großes Sanktionspaket
Die USA kündigten indes am Donnerstag (Ortszeit) Sanktionen gegen mehr als 500 Beteiligte und Helfer der „russischen Kriegsmaschinerie“ an. Finanz- und Außenministerium wollten die Sanktionen am Freitag detailliert bekanntgeben, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Washington der Nachrichtenagentur AFP. Es handle sich um das größte Sanktionspaket seit Kriegsbeginn.
Bereits am Montag hatte US-Präsident Joe Biden in Reaktion auf den Tod des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny angekündigt, am Freitag weitere „bedeutende“ Sanktionen gegen Russland bekanntzugeben.
Die US-Regierung verkündete am Donnerstag zudem ein juristisches Vorgehen gegen russische Oligarchen in den USA. Laut Justizminister Merrick Garland wurden in New York, Washington sowie den Bundesstaaten Florida und Georgia Verfahren gegen russische Unternehmer eingeleitet. Die Vermögenswerte der für den Kreml und das russische Militär wichtigen Akteure sollten beschlagnahmt werden.
Preisdeckel für Rohöl
Seit der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 haben die USA, die EU und weitere Länder zahlreiche Sanktionen verhängt, um die russische Militärindustrie zu schwächen und Moskaus Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas zu reduzieren. Unter anderem wurde ein Preisdeckel für russisches Rohöl in Kraft gesetzt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief unterdessen erneut die Abgeordneten des US-Kongresses dazu auf, die seit Wochen blockierte zusätzliche Militärhilfe im Wert von 60 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 55,4 Milliarden Euro) für sein Land zu bewilligen.
In einem am Donnerstag (Ortszeit) ausgestrahlten Interview mit dem rechtskonservativen US-Fernsehsender Fox News sagte Selenskyj: „Wird die Ukraine ohne die Unterstützung des Kongresses überleben? Ja, natürlich. Aber nicht wir alle.“ Es sei für die USA zudem auch finanziell viel günstiger, die Ukraine jetzt zu unterstützen, als sich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin später entgegenzustellen, falls er in der Ukraine militärisch erfolgreich sei.
Botschaft von Putin
Der russische Präsident selbst pries vor dem zweiten Jahrestag der Invasion in einer Videobotschaft die „echten Helden“, die in der Ukraine kämpften. In seiner Ansprache zum jährlich in der Hauptstadt Moskau begangenen „Tag des Verteidigers des Vaterlands“ hob Putin hervor, dass die „Militär- und Industriekomplexe“ sowohl die Waffenproduktion als auch die Versorgung der Truppen „um ein Vielfaches gesteigert“ hätten.
Im weiteren Verlauf des Tages soll Putin Blumen am Grab des unbekannten Soldaten vor dem Kreml niederlegen, üblicherweise entbietet er zudem den Soldaten des Landes einen Gruß. Auch in Schulen wird der „Tag des Verteidigers des Vaterlands“ üblicherweise mit patriotischem Pomp begangen.
Der Beginn der russischen Invasion jährt sich am Samstag zum zweiten Mal. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe geht Moskau in der Ostukraine wieder in die Offensive. Die ukrainischen Soldaten leiden unterdessen zunehmend unter Munitionsmangel - unter anderem wegen der Verzögerung weiterer Militärhilfe aus den USA. Sein Land befinde sich an der Front in einer „extrem schwierigen“ Situation, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj zu Beginn der Woche.