Sie wäre nicht die Erste, die es ein zweites Mal schafft. Der Portugiese José Manuel Barroso war zweimal Präsident der EU-Kommission, der Franzose Jacques Delors sogar dreimal. Nun strebt auch die amtierende Präsidentin Ursula von der Leyen eine zweite Amtszeit an, die Weichen dafür wurden am Montag gestellt: CDU/CSU in der Heimat der Deutschen nominierten sie als Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. Zumal es keine Gegner innerhalb der EVP-Parteienfamilie gibt (ihr gehört auch die ÖVP an) wird von der Leyen wohl beim EVP-Kongress Anfang März in Bukarest offiziell bestätigt.

Doch damit ist der Weg zwar geebnet, das Ziel jedoch noch lange nicht erreicht. Auf von der Leyen wartet ein diplomatisches Minenfeld, muss sie doch nicht nur von den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder bestätigt werden, sondern auch vom EU-Parlament. Beim ersten Mal gab es bloß neun Stimmen Überhang zugunsten der früheren deutschen Verteidigungsministerin, bei 733 abgegebenen. Auch diesmal muss sie weite Teile der Abgeordneten noch von sich überzeugen – keine leichte Übung, wie ihre bisherige durchwachsene Bilanz zeigt.

Das „Gesicht der EU“

Grundsätzlich, so sind sich viele zwischen Brüssel, Luxemburg und Straßburg einig, hat sie ihre Sache nicht schlecht gemacht. Ursula von der Leyen ist „das Gesicht der EU“ geworden, da kann weder ein Josep Borrell, noch ein Charles Michel oder sonst jemand mithalten. Ob an einem der zahlreichen Gipfel, den Treffen der G7 oder G20, in der Ukraine, in Washington oder wie zuletzt bei der Münchner Sicherheitskonferenz: „VDL“, wie sie in der Brüssel-Blase abgekürzt wird, ist ganz vorne dabei. Erst vor Kurzem wurde die siebenfache Mutter, nicht zum ersten Mal, vom US-Magazin „Forbes“ zur „mächtigsten Frau der Welt“ gekürt. Auf der Haben-Seite steht die Bewältigung der Pandemie, mit „Green Lanes“ für die Wirtschaft, der gemeinsamen Impfstoffentwicklung und -beschaffung und der Einigung auf ein milliardenschweres Wiederaufbauprogramm. Auch die Geschlossenheit der EU in der Unterstützung der Ukraine (womit Aggressor Russland vermutlich nicht kalkuliert hatte) geht zum großen Teil auf ihr Konto. Dazu kommen Projekte wie der „Digital Service Act“ oder eine scharfe Kante gegenüber China. Selbst die Bereiche Asyl und Migration sind nach Jahren des Stillstands weitergekommen.

Doch ihr größtes Projekt, der „Green Deal“, wurde zuletzt zunehmend zu einem Stolperstein. Immer öfter kam Sand ins Getriebe. Beim Renaturierungsgesetz, beim Aus für die Verbrennermotoren oder ganz aktuell beim Lieferkettengesetz wuchs der Widerstand. Auch aus den eigenen Reihen. Dieser Tage erst sagte ein EVP-Mandatar in Brüssel, er würde die Präsidentin kein zweites Mal wählen: „Die Prohibitionspolitik der EU ist falsch, zuletzt gab es immer mehr Regulierungen und Verbote.“ Ein Vorwurf, der permanent von den rechten Fraktionen geäußert wird; die EU mische sich immer mehr in die unmittelbaren Lebensbereiche der Menschen ein. Und das, obwohl die Präsidentin bei ihrem Amtsantritt eine signifikante Entbürokratisierung versprochen hatte.

Vorwurf der Anbiederung

Die Gegner der promovierten Medizinerin werfen ihr nun vor, für ihre Wiederwahl die hochgesteckten Ziele fallen zu lassen und sich im Sog der EVP-Politik am rechten Rand anzubiedern. Sie sei zusammen mit den Konservativen „nach rechts umgefallen“, wie es SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder ausdrückte. Ob es um die Lockerung beim Schutzstatus des Wolfes ging, um die Anerkennung von Atomkraft als „grüne Energie“ oder die überraschende Freigabe von 10,2 Milliarden Euro an Ungarn, der Vorwurf der Anbiederung an bestimmte Kreise kam prompt.

Für ihre zweite Amtszeit hat sich von der Leyen vorgenommen, die Wettbewerbsfähigkeit neu auszurichten und die „Klimaziele mit der Wirtschaft“ zu erreichen. Sie denkt auch an die Ernennung eines eigenen Verteidigungskommissars.