Medientermine im Kreml waren für ausländische Journalisten schon immer rar. Als erster westlicher Moderator seit Kriegsausbruch hat Tucker Carlson Wladimir Putin zum Interview getroffen und ihn zu den Vorkommnissen in der Ukraine befragt.

Carlson bleibt bei Putins Lügen ruhig

30 Minuten darf der russische Präsident zu Beginn des in der Nacht auf Freitag veröffentlichten Interviews die Geschichte Russlands dazu missbrauchen und verdrehen, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Unwidersprochen. Der ihm gegenübersitzende ehemalige Fox-News-Moderator findet Putins Ausführungen „spannend“. Als Putin sagt, er habe nie zugestimmt, dass die Ukraine der Nato beitritt und dabei verschweigt, dass souveräne Staaten sich Bündnissen ohne Erlaubnis anderer Länder anschließen dürfen, bleibt Carlson still. Ebenso schweigt er, als Putin meint, US-Präsidenten hätten ihm immer wieder Zugeständnisse in Aussicht gestellt, die nicht kamen. Dass in Demokratien nicht nur eine Person bestimmt, interessiert weder Putin noch Carlson.

Nur selten grätscht der Journalist dazwischen, um sich dann bis ins kleinste Detail die Argumente des mutmaßlichen Kriegsverbrechers erklären zu lassen. Putin verwendet dabei die Vergangenheit, wie er sie braucht. Einmal dient das Zarenreich als Rechtfertigung, die Ukraine zu annektieren, das andere Mal sieht er sich als Bewahrer der Tradition der Sowjetunion. Der ideologische Widerspruch bleibt stehen.

Putin dankt, Carlson schweigt

Der ehemalige Fox-News-Moderator will im zwei-Stunden-Gespräch nicht die Wahrheit herausfinden. Carlson ist unterwürfig – lacht mit dem Despoten und nickt wiederholt verständnisvoll. Auf den sozialen Medien wird Carlson zu Recht u. a. vom deutschen Russland-Experte Janis Kluge Naivität vorgeworfen. Putin nutzt die Bühne. Ein Journalist aus den USA, dem größten Unterstützer der Ukraine, verbreitet seine Schimpftiraden über ehemalige Präsidenten, die Nato und von ihm genannte amerikanische „Satellitenstaaten“, wie Deutschland.

Carlson hätte sich den Ausflug nach Moskau zu Putin genauso sparen können, wie die Zuseher das Gespräch der beiden. Putin erzählt dieselben absurden Theorien wie im russischen Staatsfernsehen. Dass die Botschaften nun bei einigen der Millionen Zuseher von Carlson aufgrund der fehlenden Hinweise auf Widersprüche und Lügen verfangen werden, ist Putins Kalkül und Carlson – in der wohlwollendsten Auslegung – egal.