Syrien, der Irak und der Iran haben die US-Luftangriffe auf Stellungen der iranischen Revolutionsgarden und mit Teheran verbündeter Milizen in Syrien und im Irak als Vergeltung für den Tod dreier US-Soldaten bei einem Drohnenangriff in Jordanien verurteilt. Das Büro des irakischen Premiers Mohammed Shia al-Sudani teilte am Samstag mit, im Irak seien 16 Menschen getötet worden, darunter Zivilisten. In Syrien dürften rund 23 Menschen ums Leben gekommen sein.
Regierungschef Sudani bestritt, dass die in der Nacht auf Samstag erfolgten US-Angriffe im Vorfeld zwischen Washington und Bagdad koordiniert worden wären. Solche Behauptungen seien „Lügen“. Man verurteile die Angriffe als „neue Aggression gegen die Souveränität des Irak“. Die Präsenz der von den USA geführten Militärkoalition in der Region sei „zu einem Grund für die Bedrohung der Sicherheit und Stabilität im Irak und zu einer Rechtfertigung für die Einbeziehung des Irak in regionale und internationale Konflikte geworden“. Neben den 16 Toten in seinem Land habe es 25 Verletzte gegeben. Sudani rief eine dreitägige Staatstrauer aus.
Diplomatische Spannungen und Reaktionen auf US-Luftangriffe
Wie die staatliche Nachrichtenagentur INA meldete, wurde der Geschäftsträger der USA in Bagdad ins irakische Außenministerium zitiert, um dort den formellen Protest gegen die US-Luftangriffe auf Ziele im Irak entgegenzunehmen. Der irakische Präsident Abdul Latif Rashid berief eine Dringlichkeitssitzung der wichtigsten Kräfte in der Regierung sowie der politischen Blöcke ein, um über die Konsequenzen der US-Angriffe zu beraten und eine „klare und vereinte Haltung“ zu finden.
Aus Syrien wurden „erhebliche Schäden“ gemeldet. Zudem seien „eine Reihe von Zivilisten und Soldaten getötet“ und weitere verletzt worden, zitierten syrische Staatsmedien aus einer Erklärung des Militärs. Öffentliches und privates Eigentum sei beschädigt worden. Die „Besetzung von Teilen Syriens durch US-Streitkräfte“ könne nicht weitergehen. Die Armee sei entschlossen, „das gesamte syrische Staatsgebiet von Terrorismus und Besatzung zu befreien“.
Auch die Regierung in Damaskus verurteilte die Vergeltungsangriffe. Was die USA getan hätten, habe dazu beigetragen, den Konflikt im Nahen Osten auf sehr gefährliche Weise anzuheizen, erklärte das Außenministerium in Damaskus.
Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London zufolge wurden mindestens 23 Menschen in Syrien getötet. Sie hätten in den attackierten Stellungen Wache gehalten, hieß es. Gemeinsam mit den Opfern im Irak starben demzufolge insgesamt mindestens 39 Menschen.
Der Iran verurteilte die US-Luftschläge als „Verletzung der territorialen Integrität“ des Irak und Syriens. Außenamtssprecher Nasser Kanaani nannte sie einen „weiteren gewagten und strategischen Fehler“ der USA. Er warnte vor einer weiteren Erhöhung der Spannungen und Instabilität in der Nahost-Region.
Zur Hauptgeschichte
US-Vergeltungsaktionen und anhaltende Spannungen im Nahen Osten
Die USA hatten in der Nacht als Vergeltung für den Tod dreier US-Soldaten bei einem Drohnenangriff in Jordanien 85 Ziele im Irak und Syrien bombardiert. US-Präsident Joe Biden kündigte an, die Angriffe würden zu gegebener Zeit weitergehen.
Seit Mitte Oktober gab es mehr als 165 Angriffe auf Stützpunkte im Irak, in Syrien und in Jordanien, auf denen Soldaten der US-Armee und ihrer Verbündeten stationiert sind. Für den tödlichen Drohnenangriff in Jordanien an der Grenze zu Syrien und zum Irak Ende Jänner machte das Weiße Haus vom Iran unterstützte Milizen im Irak verantwortlich. Teheran hat eine Verwicklung zurückgewiesen.
In Syrien sind derzeit rund 900 US-Soldaten stationiert. Sie wurden zur Bekämpfung der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) entsandt. Im Irak, wo die USA 2003 in ihrem „Krieg gegen den Terror“ einmarschierten, befinden sich aktuell noch rund 2.500 Soldaten.
Auch Israel hat mit Angriffen auf Ziele in Syrien immer wieder die Revolutionsgarden und andere vom Iran unterstützte Akteure im Visier. Der Iran ist neben Russland der stärkste Verbündete des syrischen Regimes unter Staatschef Bashar al-Assad und zugleich der Erzfeind Israels.
Erfolgreiche Vergeltung und internationale Unterstützung
US-Generalleutnant Douglas Sims sprach von einem Erfolg der Vergeltungsangriffe: Bei Treffern von Munitionslagern der Milizen seien große Explosionen ausgelöst worden. Die USA hätten die Angriffe in dem Bewusstsein gestartet, dass es wahrscheinlich Opfer in den attackierten Einrichtungen geben werde.
Der US-Verbündete Großbritannien unterstützt das Recht der USA, auf einen Angriff zu reagieren. Man kommentiere die Einsätze nicht, „aber wir unterstützen ihr Recht, auf Angriffe zu reagieren“, erklärt ein Sprecher der britischen Regierung „Wir verurteilen seit langem die destabilisierenden Aktivitäten des Iran in der gesamten Region, einschließlich seiner politischen, finanziellen und militärischen Unterstützung einer Reihe militanter Gruppen.“
Koordinierte Angriffe und internationale Reaktionen
Die USA und Großbritannien haben im vergangenen Monat koordinierte Angriffe auf die Houthi-Rebellen im Jemen begonnen, die ihrerseits wiederholt Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen haben. Die Houthi, die vom Iran unterstützt werden, werten ihre Attacken als Akt der Solidarität mit der militanten Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte vor einer „Eskalation“ im Nahen Osten. Die Region sei „ein Kessel, der explodieren kann“, sagte Borrell am Samstag kurz vor einem informellen Treffen der EU-Außenminister in Brüssel auf Nachfrage. „Deshalb rufen wir alle auf, eine Eskalation zu vermeiden.“
Russland wiederum verurteilte die US-Luftangriffe. Der UNO-Sicherheitsrat müsse sich mit der jüngsten Entwicklung beschäftigen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa. „Es ist offensichtlich, dass die Luftangriffe absichtlich darauf zielen, den Konflikt noch weiter anzuheizen.“