Syrien, der Irak und der Iran haben die US-Luftangriffe auf Stellungen der iranischen Revolutionsgarden und mit Teheran verbündeter Milizen in Syrien und im Irak als Vergeltung für den Tod dreier US-Soldaten bei einem Drohnenangriff in Jordanien verurteilt. Das Büro des irakischen Premiers Mohammed Shia al-Sudani teilte am Samstag mit, im Irak seien 16 Menschen getötet und 25 verletzt worden, darunter Zivilisten. Das syrische Regime hatte zuvor „erhebliche Schäden“ und eine nicht genannte Zahl an Toten gemeldet. Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London zufolge wurden mindestens 18 Mitglieder pro-iranischer Milizen in Syrien getötet. Gemeinsam mit den Opfern im Irak starben demzufolge insgesamt mindestens 34 Menschen.
Mehrere Tage nach dem tödlichen Angriff proiranischer Milizen auf US-Soldaten in Jordanien hat das US-Militär mit einem umfassenden Gegenschlag auf Ziele im Irak und in Syrien reagiert. Das US-Militär beschoss nach eigenen Angaben mehr als 85 Ziele aus der Luft, darunter Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffenlager, die von iranischen Revolutionsgarden (IRGC) und mit ihnen verbundenen Milizen genutzt würden, teilte das US-Regionalkommando Centcom am Freitag mit.
Iraks Regierungschef Sudani bestritt, dass die US-Angriffe im Vorfeld zwischen Washington Bagdad koordiniert worden wären. Solche Behauptungen seien „Lügen“. Man verurteile die Angriffe als „neue Aggression gegen die Souveränität des Irak“. Die Präsenz der von den USA geführten Militärkoalition in der Region sei „zu einem Grund für die Bedrohung der Sicherheit und Stabilität im Irak und zu einer Rechtfertigung für die Einbeziehung des Irak in regionale und internationale Konflikte geworden“. Auch die Regierung in Damaskus verurteilte die Vergeltungsangriffe. Was die USA getan hätten, habe dazu beigetragen, den Konflikt im Nahen Osten auf sehr gefährliche Weise anzuheizen, erklärte das Außenministerium.
Das syrische Militär stellte derweil klar, die „Besetzung von Teilen Syriens durch US-Streitkräfte kann nicht weitergehen“. Die Armee sei entschlossen, „das gesamte syrische Staatsgebiet von Terrorismus und Besatzung zu befreien“. In Syrien sind derzeit rund 900 US-Soldaten stationiert. Sie wurden zur Bekämpfung der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) entsandt. Im Irak, wo die USA 2003 in ihrem „Krieg gegen den Terror“ einmarschierten, befinden sich aktuell noch rund 2500 Soldaten.
Der Iran verurteilte die US-Luftschläge als „Verletzung der territorialen Integrität“ des Irak und Syriens. Außenamtssprecher Nasser Kanaani, nannte sie einen „weiteren gewagten und strategischen Fehler“ der USA.
US-Präsident Biden warnt Gegner
Am vergangenen Sonntag waren bei einem Drohnenangriff proiranischer Milizen in Jordanien in der Nähe der syrischen Grenze drei US-Soldaten getötet worden. Zahlreiche weitere Soldaten wurden verletzt. Biden machte "radikale, vom Iran unterstützte militante Gruppen" für den Angriff verantwortlich und drohte mit Vergeltung. Am Mittwoch schrieb die US-Regierung die Attacke offiziell einer Gruppe mit dem Namen "Islamischer Widerstand im Irak" zu, die den Angriff zuvor bereits für sich reklamiert hatte.
Beim "Islamischen Widerstand im Irak" handelt es sich um Art Dachgruppe für proiranische Milizen im Irak, die seit den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober in Israel gemeinsam unter diesem allgemeinen Namen auftreten. Dazu gehört die vom Iran unterstützte Kataib Hisbollah. Sie zählt zu den stärksten Milizen im Irak und fordert den Abzug der US-Truppen aus dem Land. Der Nordosten Jordaniens, wo sich die tödliche Attacke mit den US-Soldaten ereignete, grenzt sowohl an Syrien als auch an den Irak.
US-Präsident Joe Biden erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme mit Blick auf den Gegenschlag in den beiden Ländern: "Unsere Antwort hat heute begonnen. Sie wird fortgesetzt zu Zeiten und an Orten unserer Wahl." Die Vereinigten Staaten strebten keinen Konflikt im Nahen Osten oder irgendwo sonst auf der Welt an, betonte er. "Aber all jene, die uns Schaden zufügen wollen, sollen Folgendes wissen: Wenn Sie einem Amerikaner Schaden zufügen, werden wir darauf reagieren." Seit Mitte Oktober gab es mehr als 165 Angriffe auf Stützpunkte im Irak, in Syrien und in Jordanien, auf denen Soldaten der US-Armee und ihrer Verbündeten stationiert sind.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte indess vor einer „Eskalation“ im Nahen Osten. Die Region sei „ein Kessel, der explodieren kann“, sagte Borrell am Samstag kurz vor einem informellen Treffen der EU-Außenminister in Brüssel auf Nachfrage. „Deshalb rufen wir alle auf, eine Eskalation zu vermeiden.“ Alle müssten „versuchen zu verhindern, dass die Situation explosiv wird“, sagte Borrell.
Zivile Opfer sollten vermieden werden
Bei dem Vergeltungsschlag der Amerikaner nahm das Militär nach Angaben der US-Regierung sieben größere Stellungen ins Visier - drei davon im Irak, vier in Syrien - wo die insgesamt mehr als 85 Einzelziele getroffen wurden. Die Luftschläge hätten etwa 30 Minuten gedauert, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. An dem Einsatz seien zahlreiche Flugzeuge beteiligt gewesen - darunter auch strategische Bomber des Typs B-1, die aus den USA entsandt worden seien. Die Ziele seien sorgfältig ausgewählt worden, um zivile Opfer zu vermeiden.
Ob bei den Luftschlägen Milizionäre ums Leben gekommen seien, sei noch nicht bekannt, sagte Kirby. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, mindestens 18 Mitglieder proiranischer Milizen seien in Syrien getötet worden.
Kirby versicherte, es gebe "eindeutige, unwiderlegbare Beweise", das die getroffenen Ziele mit Attacken auf US-Kräfte in der Region in Verbindung gestanden hätten. Es sei bei der Aktion darum gegangen, die Fähigkeiten der iranischen Revolutionsgarden und ihrer Verbündeten in der Region zu schmälern, weitere Attacken auf US-Kräfte zu verüben. Das US-Militär sei zuversichtlich, dass die Angriffe in diesem Sinne erfolgreich gewesen seien.
Getötete Soldaten am Freitag in die Heimat überstellt
Kurz vor den Vergeltungsschlägen waren am Freitag die Leichname der drei US-Soldaten, die in Jordanien getötet wurden, in die USA überstellt worden. Biden erwies ihnen auf dem Luftwaffenstützpunkt Dover im Bundesstaat Delaware die letzte Ehre. Nur wenig später startete der Gegenschlag. Das US-Militär betonte, die zeitliche Nähe der beiden Geschehnisse sei nicht bewusst gewählt worden. Der Zeitpunkt der Luftschläge habe sich allein nach militärischen Überlegungen gerichtet, in diesem Fall nach günstigen Wetterbedingungen.
Für den US-Präsidenten ist das Vorgehen gegen die Milizen ein Drahtseilakt. Er will einerseits vermeiden, dass sein Land in einen regionalen Krieg im Nahen Osten hereingezogen wird. Andererseits will er Stärke zeigen und ein Ende der Angriffe erreichen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas im Oktober haben proiranische Milizen fast täglich Angriffe auf US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien verübt. Die US-Regierung reagierte darauf bereits zuvor mit Luftschlägen in beiden Ländern - allerdings in geringerem Ausmaß als die neue konzertierte Aktion.
Außerdem greifen die jemenitischen Houthi - aus Solidarität mit der Hamas - immer wieder Frachter im Roten Meer an. Als Reaktion darauf haben die USA und Großbritannien mit der Unterstützung Verbündeter Militärschläge gegen die vom Iran unterstützte Houthi-Miliz im Jemen ausgeführt. Die US-Luftschläge schreckten die Milizen bisher nicht vor weiteren Angriffen ab. Die Sorge vor einer Eskalation in der Region wächst.