Ungarn Ministerpräsident Viktor Orban hat seiner italienischen Amtskollegin Giorgia Meloni bei einem bilateralen Treffen in Brüssel versprochen, sich in die Angelegenheit einer in Budapest inhaftierten antifaschistischen Aktivistin einzuschalten. „Unsere Justiz ist von der Regierung unabhängig. Das Einzige, wozu ich legitimiert bin, ist Einfluss zu nehmen, damit die Angeklagte gerecht behandelt wird“, so Orban am Ende seines Treffens mit Meloni vor Journalisten am Mittwoch.
Die Italienerin sei im Gefängnis nicht isoliert, ihr seien Telefonanrufe erlaubt worden, erklärte Orban nach dem einstündigen Gespräch mit Meloni, mit der er seit Jahren freundschaftliche Beziehungen unterhält. Über den Fall der inhaftierten Mailänderin hatte Meloni bereits am Vortag mit Orban telefoniert.
Handschellen und Ketten
Die Anwälte der Volksschullehrerin und Aktivistin erklärten am Mittwoch, sie wollen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Ungarn habe gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, der Personen vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe schützt. „Die Verletzung ist eklatant, wenn man bedenkt, wie unsere Mandantin in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde“, sagte Rechtsanwalt Eugenio Losco. Er kämpfe, damit seiner Mandantin Hausarrest gewährt werde.
Der italienische Außenminister Antonio Tajani hatte in den vergangenen Tagen diplomatische Bemühungen bei seinem ungarischen Amtskollegen Peter Szijjártó unternommen. Tajani forderte am Dienstag von der Regierung in Budapest, die 39-jährige Lehrerin ausreisen zu lassen. Zudem ließ er den ungarischen Botschafter in Rom vorladen. Tajani bezeichnete die Behandlung von Salis als „unzulässig und unverhältnismäßig in Bezug auf die Verfahrensvorschriften und nicht im Einklang mit der EU-Richtlinie über Untersuchungshäftlinge“.
Italienerin drohen bis zu elf Jahren Haft
Gegen die Mailänderin und ein mitangeklagtes deutsches Paar hatte am Montag in Budapest ein Prozess begonnen, bei dem sie in Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal gebracht wurden. Dies hatte in Italien für Aufsehen gesorgt. Der Italienerin drohen bis zu elf Jahre Haft. Ihr Vater hatte mehrmals über unmenschlichen Bedingungen berichtet, in denen seine Tochter in einem Gefängnis in Budapest festgehalten werde. Ein mitangeklagter Deutscher hatte sich schuldig bekannt und wurde am Montag in erster Instanz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Lehrerin und die mitangeklagte Deutsche bekannten sich nicht schuldig.
Die Mailänderin bezeichnet sich selbst als Antifaschistin. Ihr wird zur Last gelegt, mit anderen Beteiligten aus der linken Szene im Februar des vergangenen Jahres eine Gruppe von Rechtsextremen angegriffen zu haben, die an eine Aktion der Waffen-SS und ungarischer Soldaten im Jahr 1945 erinnern wollten. Dabei wurden nach Angaben der Behörden neun Menschen verletzt, sechs davon schwer. Das deutsche Paar soll der Gruppierung „Hammerbande“ rund um die deutsche Linksextremistin Lina E. angehören, die sich zum Ziel gesetzt hat, mutmaßliche Neonazis und Rechtsextremisten tätlich anzugreifen und ihnen schwere bis lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen.