Aus Protest gegen Bürokratie, sinkende Einnahmen und europäische Umweltauflagen wollen Frankreichs Bäuerinnen und Bauern von Montagnachmittag an wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris blockieren. Ungeachtet erster Zugeständnisse der Regierung riefen die beiden größten Bauernverbände zur „Belagerung“ der Hauptstadt auf. Die Regierung verschärfte die Sicherheitsmaßnahmen und schickte Panzerfahrzeuge der Gendarmerie zum Großmarkt Rungis im Süden von Paris.
Rund um Paris, etwa 30 bis 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, wollten die Landwirtinnen und Landwirte an acht Stellen Blockaden aufbauen. „Wir bleiben in gewisser Entfernung, wir wollen keine Gewalt“, sagte der Vorsitzende des größten Bauernverbands FNSEA, Arnaud Rousseau, dem Sender RTL.
Die französische Regierung mobilisierte 15.000 zusätzliche Beamte der Einsatzkräfte. Präsident Emmanuel Macron wolle vermeiden, dass die Traktoren die Innenstädte von Paris und anderen Großstädten erreichen, sagte Innenminister Gérald Darmanin. Der Betrieb des Großmarktes von Rungis und der Flughäfen dürften nicht gestört werden. Darmanin rief die protestierenden Landwirte zur „Mäßigung“ auf. Der Innenminister betonte, es gehe nicht um ein Kräftemessen, sondern einen geordneten Ablauf der Proteste. Die Polizei werde nicht an Blockadeposten selber einschreiten. Öffentliche Gebäude sollten aber geschützt und für ausländische Lastzüge eine sichere Fahrt durch Frankreich garantiert werden.
Etwa 30 Traktoren starteten in der Früh in Agen im Südwesten des Landes. Sie sollten am Abend in Limoges mit Konvois aus anderen Regionen zusammentreffen und Dienstag oder Mittwoch am Großmarkt Rungis eintreffen. „Wir wollen vereint nach Paris ziehen, das ganze ländliche Frankreich“, sagte Serge Bousquet-Cassagne, Vorsitzender einer Landwirtschaftskammer im Département Lot-et-Garonne.
„Solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind, bleiben wir voll mobilisiert“, sagte Rousseau vom Bauernverband FNSEA. Premierminister Gabriel Attal hatte am Freitag bereits den Verzicht auf eine geplante Steuererhöhung für Agrardiesel und höhere Entschädigungen bei bestimmten Rinderkrankheiten zugesagt. Weitere Maßnahmen sollten in den kommenden Tagen folgen, sagte Landwirtschaftsminister Marc Fesneau am Montag dem Sender France 2. Den Landwirten gehen die Zusagen bisher nicht weit genug.
Der Rechtspopulist Jordan Bardella warf Macron vor, die Interessen der französischen Bäuerinnen und Bauern nicht ausreichend gegen deutsche Handelspolitik zu verteidigen. „Während Deutschland bei Verhandlungen zu Freihandelsabkommen alles tut, um deutsche Autos auf Kosten der französischen Landwirtschaft zu exportieren, bleibt Macron stumm“, sagte der Parteichef des Rassemblement National dem Sender BFM.
Mehrere Umweltorganisationen solidarisierten sich mit den Bauernprotesten. Sie kritisierten in einem Beitrag in der Zeitung „Libération“ „den vorherrschenden Diskurs, der uns zu Feinden machen will“. „Es ist sehr gut möglich, sich zugleich für die Umwelt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft einzusetzen“, heißt es in dem Aufruf, der unter anderem von Greenpeace und Extinction Rebellion unterzeichnet wurde.
Unter den Protestierenden gibt es erhebliche Unterschiede bei den Hauptanliegen. Der größte Bauernverband hatte eine Liste mit 140 Forderungen vorgelegt. Sie enthält unter anderem den Verzicht auf gewisse Umweltauflagen. Biobäuerinnen und Biobauern hingegen fordern eher mehr staatliche Hilfen, um sich gegen ausländische Billigkonkurrenz zu wehren.
Proteste auch in Deutschland und Belgien
Nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland gehen heute die massiven Proteste von Landwirtinnen und Landwirten gegen die Regierung weiter. In Teilen Hamburgs blockierten Hunderte Traktoren den Verkehr. Der wichtige Hafen der zweitgrößten deutschen Stadt war nach Angaben der Hamburger Polizei ebenfalls stark betroffen. Es gebe dort „erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen durch Blockaden von Traktoren“.
Auf der deutschen Autobahn 7 auf Höhe des Elbtunnels staute sich der Lastwagenverkehr den Angaben der Polizei zufolge am Montagvormittag kilometerweit zurück, da Traktoren die Köhlbrandbrücke und eine weitere wichtige Zufahrtsroute zum Hafengebiet blockierten. Der Hamburger Hafen ist der größte deutsche Seehafen und insbesondere für den Containerumschlag von großer Bedeutung.
Darüber hinaus sorgten Traktorenkolonnen für massive Verkehrsbehinderungen in der Hamburger Innenstadt, wo sich die Bäuerinnen und Bauern zu einer Kundgebung am Bahnhof Dammtor versammelten. Die Polizei bat Autofahrer, den gesamten Bereich weiträumig zu umfahren und möglichst S- und U-Bahnen zu nutzen. Mehrere Buslinien in der Hamburger Innenstadt waren beeinträchtigt.
Nach Angaben der Beamten rechnen die Veranstalter in der Hansestadt mit rund 1.500 Traktoren. Erwartet wurden zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Laut Polizei waren Angaben zu ihrer Zahl aufgrund der anhaltenden Anfahrt von Traktoren zunächst schwierig.
Auch andere große deutsche Seehäfen waren am Montag das Ziel von Blockaden durch Landwirte. In Niedersachsen versperrten Landwirte mit Fahrzeugen die Zufahrten zum Jade-Weser-Port, einem Containerhafen bei Wilhelmshaven. Nach Angaben der Polizei waren die Zufahrten durch etwa 40 Traktoren blockiert.
Auch in Belgien beteiligten sich viele Bauern an Protestaktionen. Mehrere Dutzend Traktoren hatten am Sonntag eine Autobahn im Süden des Landes blockiert. „Wir kommen nicht mehr auf ein akzeptables Einkommen“, sagte Pierre D‘Hulst vom belgischen Verband der Jungbauern.