Der Wiener Völkerrechtler Manfred Nowak wird nicht neuer Menschenrechtskommissar des Europarats. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates wählte am Mittwochabend den Iren Michael O‘Flaherty im zweiten Wahlgang auf den prestigereichen Posten. Er setzte sich gegen Nowak und die bulgarische Ex-Europaministerin Meglena Kunewa durch und folgt der Bosnierin Dunja Mijatović.
Der frühere Direktor der EU-Grundrechteagentur in Wien, O‘Flaherty, hatte schon in der ersten Runde am Dienstag die meisten Stimmen erhalten. Weil er aber die erforderliche absolute Mehrheit verfehlte, war ein weiterer Wahlgang erforderlich. Beim Wahlgang am Mittwoch reichte die einfache Stimmenmehrheit zur Wahl. Inoffiziellen Informationen zufolge landete Nowak wie schon am Dienstag wieder auf dem dritten und letzten Platz.
Nowak zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber der APA gefasst. „Das Leben geht ganz normal weiter“, sagte der 73-Jährige. Der Wahlausgang sei „ein bisschen vorhersehbar“ gewesen, ortete er auch den Einfluss von politischen Überlegungen. So könnte die bulgarische Ex-Europaministerin Kunewa deshalb so gut abgeschnitten haben, weil viele Abgeordnete angesichts des bevorstehenden Abschieds von Europarats-Generalsekretärin Marija Pejčinović Burić eine rein männliche Besetzung der drei wichtigsten Posten in der Staatenorganisation vermeiden wollten. Andererseits erkläre dies nicht den Sieg von O‘Flaherty, fügte Nowak hinzu.
„Schlechtes Abschneiden liegt alleine an mir“
„Ich möchte betonten, dass die alleinige Verantwortung für das doch schlechte Abschneiden bei mir liegt“, betonte Nowak. Er hob in diesem Zusammenhang hervor, dass er die „beste Unterstützung“ des österreichischen Außenministeriums und der Vertretung beim Europarat in Straßburg gehabt habe. Auch die sechs österreichischen Europarats-Abgeordneten aus den Reihen aller fünf Parlamentsparteien hatten sich in seltener Einigkeit hinter Nowak gestellt.
Ein Handicap für Nowak könnte gewesen sein, dass mit Volker Türk bereits ein Österreicher UNO-Menschenrechtskommissar ist. Nowak wollte diesbezüglich nicht spekulieren, berichtete aber, dass er in den Hearings darauf angesprochen worden sei. Dass zwei der höchsten Positionen im internationalen Menschenrechtsschutz nicht mit zwei Österreichern besetzt sein sollten, sei „ein Argument, das immer wieder gekommen ist“.
Nowak hatte für seine Bewerbung auch die Unterstützung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und der ukrainischen Friendsnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk. Er wies in seiner Bewerbung darauf hin, dass er „sein ganzes berufliches Leben den Menschenrechten gewidmet“ habe. Der aus dem steirischen Salzkammergut stammende Jurist gründete unter anderem das Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, war UNO-Sonderberichterstatter gegen Folter und auch UNO-Richter in Bosnien-Herzegowina.
Nowak wollte Russland „ins europäische Konzert“ zurückholen
Im Vorfeld der Wahl nannte er den Umgang mit der russischen Aggression in der Ukraine und ihren Folgen als „Priorität Nummer eins“, von Konfliktlösung über Aufarbeitung bis zu Reparationen. Andererseits solle das nach seinem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossene Land wieder „ins europäische Konzert“ zurückgeholt werden. Zudem wollte er sich dafür stark machen, dass Europa im Bereich Menschenrechte wieder eine „Vorreiterrolle“ übernimmt, etwa durch die Schaffung eines Menschenrechts auf gesunde und nachhaltige Umwelt.
Die Aufgaben des Menschenrechtskommissars des Europarats sind unter anderem der Dialog mit Regierungen und Besuche in Europarats-Mitgliedsstaaten, Empfehlungen und Bewusstseinsbildung sowie die Entwicklung und Förderung von nationalen Menschenrechtsstrukturen. Amtsantritt ist am 1. April 2024. Gewählt wurde der Nachfolger von Mijatović für sechs Jahre bis 2030. Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat gegründet. Die Länderorganisation mit Sitz in Straßburg ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihr gehören 46 europäische Länder an.
Unterdessen wurde Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für Außenpolitik und Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarats, einstimmig zur Vorsitzenden des Ausschusses für die Wahl der Richter und Richterinnen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewählt, wie die SPÖ mitteilte. Jeder Mitgliedstaat des Europarats hat einen Richter oder eine Richterin am Straßburger Gerichtshof, die Kandidatinnen und Kandidaten dafür werden von dem Ausschuss, der die nächsten beiden Jahre von Bayr geleitet wird, interviewt. Es wird dann über ihre Qualifikation beraten und der parlamentarischen Versammlung ein Vorschlag für die Wahl vorgelegt, die dann die Bestellung der Richter für neun Jahre vornimmt.