„Dieses Land wird nicht regiert, sondern ruiniert“, steht auf einer Traktorschaufel vor dem Gelände der Messe Berlin. Rund 200 Bauern sind gekommen, um abermals ihren Frust über die geplanten Subventionskürzungen der deutschen Bundesregierung mitzuteilen – und das ton- und bildstark: Das Hupkonzert der großen Landwirtschaftsfahrzeuge, die das Messegelände demonstrativ umkreisen, ist nicht zu überhören, der Demonstrationsort nicht zufällig gewählt. Es ist der Eröffnungstag der Grünen Woche in Berlin.

Die 88. Ausgabe der international wichtigsten Messe für Land- und Ernährungswirtschaft soll heuer 300.000 Gäste anlocken. Bis zum 28. Jänner präsentieren 1400 Aussteller aus 60 Länder kulinarische Spezialitäten, die neuesten Agrarprodukte und Innovationen. Auch Österreich ist mit seinen Bundesländern vertreten. Hier wird die technische Zukunft von morgen bereits heute präsentiert, während vor der Halle für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft gekämpft wird. Die Parolen der „Trecker-Protestierenden“ sollen vor allem einen Gast erreichen: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Dieser hielt sich bei seinem Rundgang mit Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied mit Wortspenden zur aktuellen Thematik zurück.

ÖVP kritisiert EU-Politik

Indes zeigen die österreichischen ÖVP-Politiker und Funktionäre bei ihrem Pressegespräch auf der Grünen Woche Verständnis für den Protest der deutschen Bauern, sehen jedoch deutliche Unterschiede zur Situation im eigenen Land. Im Gegensatz zu Deutschland seien die Bäuerinnen und Bauern hierzulande in der Regierung vertreten, betont Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und ergänzt: „In Deutschland wird Dialog gefordert, in Österreich ist das gelebte Tradition.“ Allerdings sieht er die Gefahr von Protesten in anderen Ländern sehr wohl, wenn „eine hart arbeitende Berufsgruppe nicht die Wertschätzung bekommt, die sie verdient und die Politik nicht die richtigen Rahmenbedingungen setzt.“

Totschnig beklagt die Vorgaben der EU in Bezug auf Klimaschutz, Artenschutz und Biodiversität, die auch österreichische Produzenten massiv beeinträchtigen würden: „Die EU hat sich von den vier Grundfreiheiten hin zu zehntausenden Regulierungen entwickelt“. Alleine beim Green Deal seien es 136 Rechtsakte, 32 würden sein Agrarressort betreffen. Er appelliert in Richtung Brüssel, „zahlreiche überzogene Forderungen“ abzuändern. Man stehe zwar grundsätzlich hinter dem Green Deal, müsse diesen „im Sinne unserer ökosozialen Agrarpolitik“ jedoch praxistauglich gestalten.

Weitere Streiks

Die Bauern in Deutschland wollen auch heute sowie nächste Woche weiter protestieren, wenngleich mit kleineren Aktionen als bisher. Man möchte vermehrt auf den Dialog mit der Regierung und anderen Fraktionen setzen.