Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den erst 34-jährigen bisherigen Bildungsminister Gabriel Attal zum neuen Premierminister ernannt. Das teilte der Élyséepalast am Dienstag mit. Am Montagabend war die Mitte-Regierung von Élisabeth Borne zurückgetreten. Attal ist der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte Frankreichs. Er ist seit 2023 Bildungsminister und gilt als enger Vertrauter Macrons. Der Personalwechsel gilt als Schachzug Macrons im Jahr der Europawahl.
Attal erinnert Beobachter an Macron
In Umfragen lag Macrons Partei zuletzt acht bis zehn Prozentpunkte hinter der Bewegung der rechtsextremen Oppositionschefin Marine Le Pen. Attal sei „die beste Karte, die der Präsident ausspielen könnte“, sagte Ifop-Meinungsforscher Jerome Fourquet dem Sender BFM TV. Er verwies auf die Popularität, die Attal seiner Meinung nach durch sein schnelles Handeln als Bildungsminister und durch seine Kommunikationsfähigkeit erlangt habe.
In der Rangliste der bei Amtsantritt jüngsten Regierungschefs liegt Attal auf Platz sechs hinter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (Österreich 2017: 31 Jahre), Pandeli Majko (Albanien 1997: 31 Jahre), Mart Laar (Estland 1992: 32 Jahre), Waldemar Pawlak (Polen 1992: 32 Jahre) und Sanna Marin (Finnland 2019: 34 Jahre). Erwartet wird, dass in den kommenden Tagen die Regierungsmannschaft Attals vorgestellt wird.
Attal gilt als recht beliebt und hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politischer Lager in der Sache diskutieren zu können. Als Bildungsminister hatte Attal sich unter anderem für ein Verbot langer, bei manchen muslimischen Mädchen beliebter Gewänder und für das Testen von Schuluniformen eingesetzt. Macron könnte Attal vom Typ her zudem besser liegen als Borne: Attals dynamische Art und seine steile Karriere erinnern Beobachter an den Präsidenten.
Borne hatte ihren Rücktritt nach tagelangen Spekulationen über eine Regierungsumbildung am Montag eingereicht. Präsident Macron dankte ihr im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, „von ganzem Herzen“ für ihre „vorbildliche“ Arbeit im Dienste des Landes. Borne war im Mai 2022 ernannt worden. Sie war die zweite Ministerpräsidentin in der Geschichte Frankreichs.
Borne soll bis zuletzt dafür geworben haben, im Amt zu bleiben. Macron liegt jedoch daran, mit einer erneuerten Regierungsmannschaft nach der ungeliebten Pensionsreform und dem umstrittenen Einwanderungsgesetz ein neues Kapitel aufzuschlagen. Im Frühling stehen außerdem die Europawahlen an, im Sommer richtet Frankreich die Olympischen und Paralympischen Spiele aus.
Einwanderung und Pensionen als Brennpunkte
Für Macron geht es mit der Ernennung Attals und der damit verbundenen Umbildung des Kabinetts um eine Flucht nach vorne. Seit den Parlamentswahlen 2022 hat sein Lager in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr und ist auf Stimmen der Opposition angewiesen. Schon die heftig umstrittene Pensionsreform im vergangenen Jahr drückte Macron letztlich ohne Endabstimmung in der Kammer durch. Beim neuen Immigrationsgesetz machte die Regierung den konservativen Républicains im Dezember so massive Zugeständnisse, dass Abgeordnete aus den eigenen Reihen dagegen votierten und das Lager zu brechen drohte.
Le Pen hatte das veränderte Einwanderungsgesetz als „großen ideologischen Sieg“ für ihre Partei gefeiert, die in der Nationalversammlung dafür stimmte. Das Regierungslager beanspruchte aber für sich, dass es eine Mehrheit auch ohne die Stimmen der extremen Rechten gegeben hätte. Linksgerichtete Politiker aus dem Lager Macrons warfen ihm Verrat an seinen Wahlversprechen vor. Macron hatte die Präsidentschaftswahlen 2017 und 2022 für sich entschieden, als sich die Wähler hinter ihm scharten, um einen Sieg Le Pens zu verhindern.
Die Regierungsumbildung dürfte den Konkurrenzkampf in Macrons Lager um dessen Nachfolge bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2027 verschärfen. Dafür gelten der ehemalige Premierminister Édouard Philippe, Innenminister Gérald Darmanin und Finanzminister Bruno Le Maire als potenzielle Kandidaten. Macron darf bei der kommenden Wahl nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten.