Eine israelische Großoffensive hat am Donnerstag eine Massenflucht unter bereits zuvor vertriebenen Bewohnern des Gazastreifens ausgelöst. Zehntausende flohen aus den Bezirken Nuseirat, Bureij und Maghazi im Zentrum des dicht besiedelten Palästinensergebiets. Die Vereinten Nationen sprachen von mehr als 150.000 Menschen. Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge 50 Palästinenser getötet worden.
Israel verstärkt Einsatz von Bodentruppen weiter
„Kleine Kinder, Frauen mit Babys auf dem Arm, Menschen mit Behinderungen und ältere Leute wissen nicht, wohin sie gehen sollen“, erklärte das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) in den sozialen Medien. Die Organisation bezeichnete die Evakuierungsanordnungen Israels als „gewaltsame Vertreibung“. Die israelische Armee forderte angesichts vorrückender Panzer zum Verlassen der Kampfgebiete auf.
Viele Menschen, die zuvor aus dem Norden in die Mitte des Gazastreifens geflohen waren, versuchten, sich in der bereits völlig überfüllten Stadt Deir al-Balah in Sicherheit zu bringen. Sie suchten Schutz in provisorischen Lagern. Ein aus dem Norden geflohener Mann, der bereits länger in einer Schule in Deir al-Balah lebt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon, die neuen Flüchtlinge würden ihre Zelte überall aufschlagen, wo sie eine freie Fläche fänden. Die Essensvorräte würden knapp.
Ungeachtet internationaler Aufforderungen zur Mäßigung hat Israel den Einsatz seiner Bodentruppen kurz vor Weihnachten verstärkt, der Fokus liegt derzeit auf dem Zentrum des Gazastreifens. Am Donnerstag wurden besonders heftige Gefechte aus Bureij gemeldet. Anrainer und militante Kämpfer erklärten, israelische Panzer drängen von Norden und dem Osten in den Ort vor. Palästinensischen Angaben zufolge wurden 50 Palästinenser bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getötet. Neben der Mitte war auch erneut Khan Younis im Süden Schauplatz heftiger Kämpfe. Auch in diese Stadt hatten sich zuvor viele Menschen aus dem Norden geflüchtet.
Interview zum Thema
Von den jüngsten Angriffen betroffen seien auch Beit Lahia im Norden und Maghazi im Zentrum des dicht besiedelten Küstengebiets, teilte das von der radikal-islamischen Hamas-Organisation kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen am Donnerstag mit. Der palästinensische Rettungsdienst Roter Halbmond schrieb schon vor der Hamas-Mitteilung auf der Plattform X, es seien bei einem Angriff in der Nähe des Al-Amal-Krankenhauses in Khan Younis am Donnerstag zehn Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden.
Israel sucht Hamas-Führer
Bereits am Mittwoch hatte es nach Angaben der Sanitäter und des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums beim Bombardement eines Wohngebäudes in dem Gebiet mehr als 20 Tote gegeben. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Donnerstag, man gehe den neuen Berichten nach. Israel vermutet, dass sich in Khan Younis die Führungsspitze der Hamas versteckt hält.
Wie die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde Donnerstagnachmittag mitteilte, stieg die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser seit Kriegsbeginn auf 23.320. Außerdem seien 55.603 Menschen verletzt worden. Allein in den letzten 24 Stunden seien 210 Palästinenser getötet und weitere 360 verletzt worden, fügte Sprecher Ashraf al-Kudra hinzu. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht prüfen, die UNO und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Auslöser des Gazakriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zu Gaza verübt hatten. Auf israelischer Seite sind in der Folge rund 1.200 Menschen getötet worden, darunter mindestens 850 Zivilisten.