In Serbien haben am Sonntag Parlaments- und Kommunalwahlen begonnen. Zum fünften Mal innerhalb von elf Jahren wird ein neues Parlament gewählt. Als klarer Favorit gilt die seit 2012 regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS). Die bis Mai von Präsident Aleksandar Vučić geleitete Partei dürfte laut Umfragen rund 40 Prozent der Stimmen erhalten. Größter Herausforderer der Vučić-Partei dürfte die prowestliche Koalition „Serbien gegen die Gewalt“ sein.

Prowestliche Koalition „Serbien gegen die Gewalt“

Sie kommt bei Umfragen auf etwas mehr als ein Viertel der Stimmen. Hingegen scheiterte der Versuch einer Wahlkoalition mehrerer kleinerer nationalistischer Kräfte, was der SNS zugute kommen dürfte. Die Sozialisten von Außenminister Ivica Dačić werden wohl auf zehn Prozent kommen. Auf der Kandidatenliste der Sozialisten steht auch Marko Milošević, Enkel des ehemaligen, wegen Kriegsverbrechen angeklagten Präsidenten Slobodan Milošević. Im Vorfeld der Wahl stellten Nichtregierungsorganisationen zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest. Dražen Pavlica, Medienexperte von der NGO BIRODI sagte, dass die meisten Medien, darunter alle landesweiten TV-Sender, unter Kontrolle der Regierungsparteien stünden.

Insgesamt sind rund 6,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger stimmberechtigt. Die Wahllokale bleiben bis 20.00 Uhr offen. Die Wahlbeteiligung war geringfügig höher als beim letzten Mal: Nach Angaben der staatlichen Wahlkommission lag diese bis 10.00 Uhr bei 9,94 Prozent gegenüber 9,59 Prozent bei den ebenfalls vorgezogenen Parlamentswahlen im Vorjahr. Die nicht-staatliche Organisation CRTA meldete unterdessen in Belgrad ein höheres Interesse: Die Wahlbeteiligung betrug hier 9,8 Prozent gegenüber 8,4 im Vorjahr. Von der NGO CESID hieß es, die Wahlbeteiligung bis 11.00 Uhr habe landesweit 15,1 Prozent betragen, was um ein Prozent höher als in derselben vorjährigen Zeitspanne war. Immerhin wurde aus manchen Wahllokalen in Belgrad von Warteschlangen berichtet.

Die Wahl wird von einer Rekordzahl von 5.500 Beobachterinnen und Beobachtern überwacht. Präsent sind auch internationale Beobachterinnen und Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), darunter in führender Funktion auch die österreichischen Parlamentarier Reinhold Lopatka (ÖVP) und Stefan Schennach (SPÖ).

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, ebenfalls OSZE-Wahlbeobachterin, teilte Sonntag früh der APA ihre ersten Eindrücke mit: „Einige Mitglieder der Wahlkommission sind als Regierungsbeauftragte erkennbar, nicht wenige Menschen haben keine Einladung für die Wahl bekommen“, sagte sie. In einigen Wahllokalen seien „einschüchternd“ wirkende Mitglieder der Wahlkommission, die „den Menschen über die Schulter schauen“ würden; sie hätten schwarze Schirmkappen auf und schwarze Kapuzenpullover an und sähen aus „wie Security-Leute in einer Disco“. Auch „auffallend“ sei es, dass „die Namen der Wählerinnen und Wähler oft laut vorgelesen“ würden, „darüber gibt es immer wieder Beschwerden“, sagte Ernst-Dziedzic. Ein Mann habe aufgebracht berichtet, dass vor dem Wahllokal „Druck“ auf ihn ausgeübt worden sei.

Berichte über Unregelmäßigkeiten bei Wahl

Ein Wahlbeobachter der NGO CESID berichtete, im südserbischen Leskovac gesehen zu haben, wie in eine Wahlurne vor der Abstimmung mehrere Wahlzettel geworfen worden seien. In einem Wahllokal in Ruski Krstur bei Kula in der Vojvodina soll in einem Wahllokal ein weibliches Mitglied der Wahlkommission tätlich angegriffen worden sein, als sie im Wahllokal eine Personengruppe mit falschen Beobachterausweisen entdeckte, die eigene Wählerverzeichnisse hatten.

Die NGO Kreni-Promeni fotografierte unterdessen in Neu-Belgrad den sogenannten „bulgarischen Zug“ und postete darüber in den sozialen Netzwerken. Einzelne Wählerinnen und Wähler haben demnach vor den Wahllokalen bereits ausgefüllte Wahlzettel erhalten, die sie in die Urnen werfen. Ihre Wahlzettel geben sie beim Verlassen des Wahllokals für die nächsten Wählerinnen und Wähler ab. Der Vorsitzende der staatlichen Wahlkommission, Vladimir Dimitrijevic, wies alle Berichte als „unbegründet und schändlich“ zurück.

Mit ersten Wahlresultaten wird in der Nacht auf Montag gerechnet. Gleichzeitig mit dem Parlament Serbiens werden heute auch Parlamente der nordserbischen Provinz Vojvodina und der Hauptstadt Belgrad gewählt sowie die Gemeinderäte in 65 Kommunen.