Einen Tag vor dem EU-Gipfel zur Ukraine hat die Europäische Kommission Fördergelder in Milliardenhöhe für Ungarn freigegeben. Nach einer „reiflichen Prüfung“ und „mehreren Kontakten“ mit der ungarischen Regierung sei die Kommission zur Einschätzung gekommen, dass Budapest die Bedingungen im Bereich der Unabhängigkeit der Justiz erfüllt habe, teilte die Kommission am Mittwochnachmittag mit.
Ungarn nimmt von Ukraine-Veto Abstand
„Das bedeutet, dass ein Teil der Zahlungen für die Kohäsionspolitik nicht mehr blockiert ist und Ungarn Zahlungen in Höhe von bis zu 10,2 Milliarden Euro beanspruchen kann“, hieß es weiter. Beobachter sehen in der Entscheidung einen Zusammenhang mit den Bemühungen, den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán von einem Veto gegen den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine abzubringen. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag über einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission beraten.
Die Mitteilung der Kommission erfolgte, nachdem im ungarischen Amtsblatt eine Gesetzesänderung veröffentlicht wurde, die es heimischen Richtern ermöglicht, den Europäischen Gerichtshof ohne Einschränkungen um Vorabentscheidungen zu ersuchen. Es habe sich um die letzte Bedingung der Europäischen Kommission dafür gehandelt, dass Ungarn die wegen Problemen mit der Rechtsstaatlichkeit zurückgehaltenen Gelder bekommen könne, berichteten ungarische Medien. Ihnen zufolge gab es damit kein Hindernis mehr dafür, dass die zehn Milliarden Euro nach Ungarn kommen.
Ungarn hatte am Mittwoch die Freigabe von Fördergeldern in Höhe von 30 Milliarden Euro gefordert. Balázs Orbán, politischer Direktor des rechtsnationalen Premiers Viktor Orbán (kein Verwandter des Ministerpräsidenten), sagte nach Angaben der Agentur Bloomberg, dass Ungarn in diesem Fall sein Veto gegen die Ukraine zurücknähme.
Ungarn fordert „Lösegeld“, kommentierte das Nachrichtenportal „Politico“ die Aussagen Orbáns. Das Portal erinnerte zugleich daran, dass die EU-Mitgliedschaft der Ukraine auch weiterhin eine „rote Linie“ für die ungarische Regierung darstelle, die Kiew nur eine strategische Partnerschaft empfehlen würde. Die Forderung Ungarns bezeichnen auch mehrere EP-Abgeordnete als „Erpressung“. Laut dem Nachrichtenportal „hvg.hu“ erklärte Iratxe García, sozialdemokratische Vorsitzende im EU-Parlament: „Wenn Viktor Orbán erreicht, was er nun will, dann wird er weiter erpressen.“ EVP-Chef Manfred Weber bezeichnete „Politico“ gegenüber den ungarischen Ministerpräsidenten als „Verräter“.