Es beginnt mit einem Gipfel vor dem Gipfel: Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder am Donnerstag und Freitag zu ihrem routinemäßigen Dezembergipfel in Brüssel zusammenkommen, liegt ein „Vorausgipfel“ bereits hinter ihnen. Am Mittwoch steht ein eigenes Treffen im Zeichen des Westbalkans auf der Tagesordnung, dessen Länder in unterschiedlichen Positionen seit Langem in der Warteschleife für einen EU-Beitritt stehen. Vor wenigen Tagen erst hatte Europaministerin Karoline Edtstadler bei einem Arbeitsbesuch in Bosnien-Herzegowina gesagt, die Annäherung des Landes, das seit einem Jahr den Kandidatenstatus hat, sei „geopolitisch notwendig“. Das gilt im Grunde für den gesamten Westbalkan, doch Länder wie Serbien scheinen sich zuletzt eher wieder abgewendet zu haben. Der Einfluss Russlands, Chinas, Saudi-Arabiens oder der Türkei sei im gesamten Westbalkan spürbar, berichteten Diplomaten. Österreich tritt für eine „graduelle Integration“ ein, die den üblichen, langjährigen Aufnahmeprozess erleichtern soll.
Eng verknüpft mit dem Westbalkan sind mittlerweile die Beitrittsambitionen der Ukraine und Moldaus. Beide Länder haben den Kandidatenstatus, an sich hatte die EU-Kommission nach Prüfung der Reformschritte vorgeschlagen, der Gipfel möge den Beginn der Verhandlungsgespräche beschließen. Doch ob es zu dieser historischen Entscheidung diese Woche kommt, ist mehr als fraglich. Vor allem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán lehnt das ab und hat mittlerweile in zwei Briefen an EU-Ratspräsident Charles Michel und an die Staatengemeinschaft gefordert, den Punkt wegen Aussichtslosigkeit überhaupt von der Tagesordnung zu nehmen. Michel reiste daraufhin zu Krisengesprächen nach Budapest, vor wenigen Tagen mischte sich auch noch der französische Präsident Manuel Macron ein und traf Orbán in Paris zu einem Abendessen.
Ungarn kann alles blockieren
Ungarn kann den Beschluss jedenfalls blockieren, er erfordert Einstimmigkeit im Rat. Hinter der Blockadehaltung vermuten viele ein Druckmittel gegen die EU, weil Brüssel wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit mehr als 13 Milliarden Euro für Ungarn auf Eis gelegt hat, möglich wäre aber auch, dass die Ungarn bahnbrechende Beschlüsse gerne auf ihre Fahnen heften wollen, wenn sie in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres – nach den EU-Wahlen – den Ratsvorsitz übernehmen. Orbán weist das zurück, will aber auch einen zweiten wesentlichen Punkt des EU-Gipfels blockieren: die Revision des mehrjährigen Finanzrahmens. Damit zusammen hängt nicht nur die Forderung der Kommission nach einer Aufstockung um 66 Milliarden Euro, um die zusätzlichen Anforderungen wie Außengrenzschutz und steigende Kosten bedienen zu können, sondern auch um das der Ukraine versprochene 50-Milliarden-Euro-Paket für die kommenden Jahre zur Verfügung stellen zu können. Die Budgetaufstockung wird unter anderem auch von Österreich kritisiert, das Vorschläge für eine Umschichtung anderer Mittel eingereicht hat. Ob jene, die dann weniger Geld bekommen würden, das gut finden, ist fraglich.
Sicherheit und Verteidigung, die Außenbeziehungen und die aktuelle Lage im Nahen Osten stehen ebenfalls auf der Tagesordnung.