Rumäniens sonst so diplomatischer Landesvater lässt seinem Unmut über den EU-Partner ungewohnt freien Lauf. Die ständigen Absagen Österreichs zu einem Schengen-Beitritt des Karpatenstaats seien „schon ein wenig deprimierend“, beklagte Präsident Klaus Johannis. Der „immer gleiche Text“ höre sich so an, als ob die Wiener Schallplatte „einen kleinen Sprung“ habe.
Das Schengen-System sei „kaputt“ und müsse vor seiner Erweiterung erst „repariert werden“, begründet der österreichische Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Wiener Blockadehaltung auch mit der zunehmenden Zahl bilateraler Grenzkontrollen im eigentlich grenzkontrollfreien Schengenraum. Die österreichische Position sei keineswegs „gegen Bulgarien oder Rumänien gerichtet“, beteuert Nehammer. Mit der generellen Kritik am mangelhaften Schutz der EU-Außengrenzen und der hohen Zahl von Asylbewerbern im eigenen Land hatte Österreich bereits vor Jahresfrist das eher politisch motivierte Veto gegen das Balkan-Duo begründet. Gleichzeitig winkte man – wenig konsequent – den zu Jahresbeginn vollzogenen Zutritt von EU-Neuling Kroatien zur Verbitterung von Bukarest und Sofia problemlos durch.
Voraussetzungen erfüllt
Dabei haben die beiden von Wien verschmähten Anwärter die technischen Voraussetzungen für einen Schengen-Beitritt schon seit Jahren erfüllt. Über Rumänien reist zudem nur ein Bruchteil der über die Balkanroute nach Westeuropa gelangenden Transitflüchtlinge ein. Österreich würde wie die gesamte EU von der Schengen-Erweiterung „profitieren“, da mit dem Wegfall von Patrouillen an den Grenzen zu EU-Nachbarn mehr Grenzbeamte an die EU-Außengrenzen mit Serbien und der Türkei verlegt werden könnten, versichert Bulgariens Premier Nikolai Denkow.
Doch obwohl die Zahl der Asylanträge in Österreich in diesem Jahr stark rückläufig ist (wenn auch auf hohem Niveau), will Wien bei der EU-Innenministerkonferenz in der nächsten Woche die Ausweitung des Schengenraums erneut blockieren. In ihrer Vehemenz bei dieser Haltung schielt die ÖVP auf die Nationalratswahlen im nächsten Jahr und will versuchen, die drohende Schlappe abfedern – vor allem in Hinblick auf das anhaltende FPÖ-Umfragehoch. Doch auch die Zweifel der Niederlande an Bulgarien scheinen noch nicht ausgeräumt: Den Haag fürchtet eine zusätzliche Belastung seines Sozialsystems.
Boykottaufrufe und mögliche Klage
Rumäniens sozialistischer Regierungschef Marcel Ciolacu (PSD) hat wegen drohender Milliardenschäden für die heimische Wirtschaft im Fall eines erneuten „ungerechtfertigten“ Vetos mit einer Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof gedroht.
Der Schengen-Dialog mit Wien werde „immer seltsamer“, klagt Rumäniens Präsident Johannis. 54 Prozent der Rumänen sprechen sich laut einer im letzten Monat veröffentlichten Umfrage dafür aus, Österreich wegen der Schengen-Blockade zu verklagen. 28 Prozent befürworten einen totalen Boykott der österreichischen Unternehmen in Rumänien: Mit rund 7000 Betrieben ist Österreich der zweitgrößte Auslandsinvestor im Karpatenstaat.
Die „Schengen-Demütigung“ durch Wien will wiederum Rumäniens nationalpopulistische AUR-Partei zum Wahlkampfthema bei den bevorstehenden Europawahlen machen. Die rumänischen Bürger seien „weder zweitrangig“ noch „Europas arme Verwandte“, entrüstet sich AUR-Chef George Simion, der auch den EU-Partnern bei der Europawahl einen rumänischen „Denkzettel“ androht: „Weder Brüssel noch Berlin oder Paris“ hätten reagiert, als das Land zum wiederholten Male „zweitrangig behandelt“ worden sei.