Nach der eintägigen Verlängerung der Feuerpause im Gazastreifen hat die islamistische Palästinenserorganisation Hamas zwei weitere israelische Geiseln freigelassen. Die israelische Armee nahm die beiden Frauen nach eigenen Angaben am Donnerstag in Empfang. Nach Angaben eines Hamas-Vertreters gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sollten im Laufe des Tages insgesamt zehn israelische Geiseln freigelassen werden.

Nach Angaben aus dem Büro von Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu ist eine der beiden am Donnerstagnachmittag befreiten Geiseln die französische Doppelstaatlerin Mia Shem, die am 7. Oktober auf dem Musikfestival in der Negev-Wüste verschleppt worden war. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von „großer Freude“ über die Freilassung. Die Terrororganisation Hamas hatte Mitte Oktober ein Video der 21-Jährigen veröffentlicht, in dem sie am Arm verletzt zu sehen war. Die zweite freigelassene Geisel ist die 40-jährige Amit Soussana.

Die weiteren Geiseln, deren Freilassung geplant war, sollten israelischen Behörden zufolge „in den kommenden Stunden“ ans Rote Kreuz übergeben werden. Geplant war außerdem wie in den vergangenen Tagen die Entlassung weiterer 30 palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen.

Seit der Waffenruhe kamen bisher knapp mehr als 100 Geiseln frei

Möglich geworden waren die weiteren Freilassungen, nachdem Donnerstagfrüh die israelische Armee und die Hamas eine Verlängerung der seit vergangenen Freitag geltenden Feuerpause im Gazastreifen verkündet hatten - kurz, bevor diese ausgelaufen wäre. Insgesamt wurden bisher seit Inkrafttreten der Waffenruhe am vergangenen Freitag 72 israelische Frauen und Kinder sowie etwa 30 weitere ausländische Geiseln, überwiegend Gastarbeiter aus Thailand, von der Hamas freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel bisher 210 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen.

Bei ihrem brutalen Überfall auf Israel am 7. Oktober hatte die Hamas rund 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Miliz waren nach Israel eingedrungen und hatten nach israelischen Angaben auch etwa 1.200 Menschen getötet.

Israel bombardierte als Reaktion wochenlang massiv Ziele im Gazastreifen. Angaben der Hamas zufolge, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden bisher fast 15.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.

US-Außenminister Antony Blinken drückte unterdessen bei seinem dritten Besuch in Israel seit dem 7. Oktober seine Hoffnung auf eine weitere Verlängerung der Feuerpause aus. Diese sei wirksam, da sie Geiseln die Rückkehr zu ihren Familien ermögliche und die Lieferung von mehr humanitärer Hilfe für „unschuldige Zivilisten“ im Gazastreifen ermöglicht habe, sagte Blinken bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog.

„Schaffung eines palästinensischen Staats vorantreiben“

Bei einem Treffen mit Netanyahu pochte Blinken mit Blick auf die Lage im Gazastreifen laut Außenministeriumssprecher Matthew Miller auf den bestmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung dort. Später sprach Blinken demnach in Ramallah im Westjordanland bei einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas über „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und der Freiheit für Palästinenser im Westjordanland“. Blinken habe zudem bekräftigt, die USA blieben „entschlossen, konkrete Schritte für die Schaffung eines palästinensischen Staats voranzutreiben“.

Die von Abbas geleitete Palästinensische Autonomiebehörde übt formell die politische Kontrolle über das Westjordanland aus, das aber von Israel militärisch besetzt bleibt - während im Gazastreifen die radikalislamische Hamas regiert. Seit dem Großangriff der Hamas auf Israel hat sich auch im Westjordanland die Lage zugespitzt.

Unterdessen besuchte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, Karim Khan, Israel „auf Ersuchen und Einladung“ der Überlebenden und Familien der Opfer des Hamas-Angriffes. „Der Besuch ist zwar nicht ermittlungstechnischer Natur, stellt aber eine wichtige Gelegenheit dar, das Mitgefühl mit allen Opfern zum Ausdruck zu bringen und einen Dialog zu führen“, schrieb der IStGH auf X. Khan wollte auch nach Ramallah im besetzten Westjordanland reisen.