Bestürzung herrschte am Freitag in Irland, nachdem Hunderte Rechtsradikale in der Nacht zuvor mit schweren Krawallen die Innenstadt Dublins stillgelegt, Geschäfte demoliert und geplündert und sich mit der Polizei blutige Gefechte geliefert hatten. Zahlreiche Fahrzeuge, darunter ein Doppeldecker-Bus, eine Straßenbahn und mehrere Streifenwagen, gingen in Flammen auf.
Bis heute ist die Republik Irland eines der wenigen Länder in Europa, in denen militante Anti-Immigranten und radikale Rechte politisch noch nicht Fuß gefasst haben. Umso schockierter zeigten sich Polizei und Politiker von den Krawallen rund um O´Connell Street. Dublins Polizeipräsident Drew Harris sprach von einer „völlig geistesgestörten Gruppe“ von 500 Randalieren, „die von einer extrem rechten Ideologie“ besessen seien. Justizministerin Helen McEntee erklärte, man könne „solche Szenen auf keinen Fall dulden“. Irlands Präsident Michael D Higgins nannte die gewalttätigen Ausschreitungen üble „Attacken aufs Prinzip sozialer Integration“.
Angriff auf Kinder und Spekulationen im Internet
Begonnen hatten die Krawalle, nachdem ein Mann vor einer irischsprachigen Schule in Dublin fünf- und sechsjährige Kinder mit einem Messer angegriffen hatte. Bei dem Angriff wurden ein Mädchen und eine Lehrerin, die ihm zu Hilfe eilte, lebensgefährlich verletzt. Auch drei andere Kinder erlitten Verletzungen. Ebenfalls behandelt werden musste der Täter, den die Polizei als „einen Mann in seinen Fünfzigern“ beschrieb. Augenzeugen hatten den Mann, als sie auf die Tat aufmerksam wurden, zu Boden geschleudert. Einige hatten ihn, als er am Boden lag, wütend gekickt.
Kaum war der Vorfall bekannt, wurden in den sozialen Medien Meldungen verbreitet, wonach es sich bei dem Täter um einen Migranten aus Algerien handle. Das nahmen die rechtsradikalen Gruppen zum Anlass für ihre „Aktion“. Sie zogen mit Anti-Immigrations-Parolen durchs Zentrum von Dublin, beschimpften dunkelhäutige Passanten in den Straßen und begannen, Feuerwerkskörper anzuzünden und mit Flaschen und Stühlen, die sie vor Restaurants fanden, um sich zu werfen. Sie zerschlugen Ladenscheiben und plünderten Geschäfte. Gegen einen Feuerwehrwagen gingen sie mit Eisenstangen und Benzinbomben vor. Zahlreiche Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Teile der Innenstadt, darunter einige der Hauptstraßen Dublins, die Universität Trinity College und wichtige Straßenbahn-Linien, wurden in Panik geschlossen. Einzelne Polizisten mussten in Gaststätten in Deckung gehen, bis Verstärkung angerückt war.
Randalierer hätten „Schande über Irland gebracht“
Mehrere Polizisten wurden verletzt. Am Freitag hatte die Polizei 34 Personen festgenommen. Etwas Derartiges, meinte Polizeichef Harris, habe er „überhaupt noch nie“ erlebt. Regierungschef Leo Varadkar erklärte, „gewalttätige Krawalle dieser Art und dieses Ausmaßes“ habe Irland „seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen“. Die Randalierer hätten „Schande über Irland gebracht“. Die „wahren irischen Helden“ seien „die Menschen unterschiedlichster Nationalitäten“, die die Messer-Attacke vor der Schule zu stoppen suchten – und nicht die Hooligans. Varadkar fügte dem hinzu, die Rechtsradikalen repräsentierten in keiner Weise Irland: „Mit denen haben wir nichts gemein.“ Er erklärte, die irischen Gesetze gegen das Schüren von Hass würden umgehend verschärft. Er warnte aber auch davor, dass es „am Wochenende oder in Zukunft“ zu weiteren Ausschreitungen kommen könne. Scharfe Kritik an den Krawallen äußerten auch die Vorsitzenden der anderen Parteien.
Parlament belagert
Allerdings war es in letzter Zeit bereits mehrfach zu örtlichen Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in entsprechenden Zentren, wie in Hotels und Herbergen, gekommen. Nachdem Irland lange Zeit ein Land fast ohne Immigranten war, machen Menschen, die außerhalb des Landes geboren sind, inzwischen ein Fünftel der Bevölkerung aus. Zu einem ganz außerordentlichen Vorfall, der das Land schwer verunsicherte, kam es im September dieses Jahres, als rund 200 militante Demonstranten das Parlament in Dublin belagerten und es stundenlang erfolgreich von der Außenwelt abschnitten. Die an der Aktion teilnahmen, zogen wütend gegen Parlamentarier, Parlaments-Bedienstete und Presse vom Leder und errichteten vor dem Gebäude eine Art Galgen, an dem die Bilder mehrerer prominenter Politiker aufgehängt waren.
Als „absolut abscheulich“ und „fast schon faschistisch“ bezeichnete damals Vize-Regierungschef Micheál Martin die Parlaments-Belagerung. Ähnlich stuften die Oppositionsparteien die Aktion ein. Die Links-Partei „People before Profit“ meinte: „Allzu lang hat man geglaubt, dass Irland gegenüber rechtsextremen Entwicklungen in aller Welt immun bleiben würde.“ Aber davon könne man nun nicht mehr ausgehen, nach diesem Versuch der „Nachstellung eines Protests im Stil Donald Trumps“.