Es war ein mehrstündiger Abstimmungskrimi im EU-Parlament in Straßburg, am Ende gab es strahlende und entsetzte Gesichter. Der „Green Deal“ der EU erlebte einen weiteren Rückschlag. Im Rahmen einer Reihe von Abstimmungen ging es zunächst um die umstrittene Verpackungsverordnung (wir berichteten), der Vorschlag zur schrittweisen Reduzierung von Plastik- bzw. Verpackungsmüll wurde mit einigen Adaptierungen angenommen. So können vorerst die kleinen Zuckersackerln, um die es in Österreich die größte Aufregung gegeben hatte, weiter verwendet werden, ebenso die hölzernen Boxen und das Wachs für bestimmte Käsesorten.
Doch dann ging es um die Pestizid-Verordnung SUR, die eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in der EU um 50 Prozent bis 2030 und eine Reihe von begleitenden Schutzmaßnahmen, etwa Schutzzonen rund um Schulen oder Krankenhäuser zum Inhalt hatte. Im Verlauf der Abstimmung kamen immer mehr Änderungsanträge zum Zug, die schließlich den Vorschlag so sehr verwässerten, dass sich die Positionen ins Gegenteil verkehrten und die ÖVP für den Vorschlag, die Berichterstatterin, die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener, am Ende aber dagegen stimmte – doch ihre Hoffnung, dass das gesamte Paket, wie sonst oft üblich, an den Umweltausschuss zurückgewiesen werde, erfüllte sich nicht. Die Parlamentarier verhinderten mehrheitlich auch dass damit ist das gesamte Vorhaben im Grunde pulverisiert, zumindest für die noch laufende Periode. Es könnte noch über die Ratsposition abgestimmt werden vor den kommenden Wahlen, das gilt aber als sehr unrealistisch.
„Herbe Enttäuschung“
Sarah Wiener („Ich habe dem Thema eineinhalb Jahre meines Lebens geopfert“) zeigte sich danach vor Journalisten extrem enttäuscht, es sei ein „schwarzer Tag für Umwelt und Gesellschaft“. Der gesamte Entwurf sei vernichtet worden. Sie sprach von einer „herben Enttäuschung für mich, für die Umwelt, die Ziele der Biodiversität und die Gesundheit unserer Kinder und Kindeskinder“. Die Schuld für dieses Ergebnis gab Wiener vor allem den „rechten, rechtsradikalen und konservativen“ Abgeordneten, die sie als „Sprachrohre der Agrarindustrie und Landwirtschaftsverbände“ bezeichnete. Die Abhängigkeit der Bauern von der Chemieindustrie bleibe dadurch bestehen.
ÖVP-Europamandatar Alexander Bernhuber, in der Causa gewissermaßen „Gegenspieler“ von Wiener, zeigte sich über die Ablehnung jedenfalls sehr erfreut. Seine Fraktion habe sich „bis zum Schluss für realistische und praktikable Lösungen für nachhaltige Pflanzenschutzreduktion eingesetzt“, damit aber keine Mehrheit gefunden. Bernhuber: „Am Ende war es für die Rechten zu wenig und für die Grünen und Sozialisten zu viel, damit hat sich in der Mitte keine Mehrheit gefunden.“ Die Kommission solle den Vorschlag endgültig zurückziehen, er sei von Anfang an fehlerhaft gewesen: „Dass der Vorschlag vom Tisch ist, ist ein großer Erfolg der EVP.“ Die Landwirtschaft sei ohnehin auf dem Weg, weniger gefährliche Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Es hätten mehr Lebensmittelimporte gedroht; auch für den Weinbau in der Wachau oder im Burgenland ändere sich nun nichts.